Vor kurzem fragte mich Magdalena: »Hei Franziska. Ist es egal, von wo aus man arbeitet als kreative Person oder müssen alle nach Berlin?«
Vielleicht fragst du dich das ja auch? Ich musste auf jeden Fall sehr schmunzeln über Magdalenas kluge Frage, denn diese hatte mich selbst jahrelang beschäftigt.
Seit über zwei Jahren wohne ich ja nun schon in Finnland. 2020 habe ich endlich diesen für mich großen Schritt gewagt. In ein nordisches Land ziehen wollte ich allerdings schon lange. Viele Jahre lang habe ich mich einfach nicht getraut, diesen Schritt zu gehen, weil ich dachte, dass es nicht geht. Ich dachte, dass mich dann niemand mehr beauftragt. Dass ich dann für meine Auftraggeber*innen in der Bedeutungslosigkeit verschwinde. Und dass es so gut wie unmöglich wäre, in Finnland neue Kund*innen zu finden, wenn ich die Landessprache nicht fließend sprechen.
Ich hab mich dann in Babysteps an das Thema ran gerobbt und bin im Jahr 2013 erst einmal von Weimar nach Hamburg gezogen. Zumindest die Richtung in den Norden stimmte schon einmal. Interessanterweise war der Umzug nach Hamburg für viele meiner Auftraggeber*innen eine große Sache und sie fanden das toll. Ich erinnere mich noch, wie ich da saß und dachte: Warum zur Hölle … denn den Großteil meiner Auftraggeber*innen sehe ich, wenn überhaupt, einmal im Jahr in Echt – auf der Buchmesse. Ansonsten telefonieren wir und schreiben uns Emails.
Allerdings fand ich auch heraus, dass ich trotz meines neuen Wohnortes in Hamburg weiterhin von Auftraggeber*innen meines alten Thüringer Zuhauses beauftragt wurde. Denn für das persönliche Meeting vor Ort gab es ja den ICE, der mich innerhalb von 4 Stunden von Hamburg nach Erfurt brachte. So bin ich zum Beispiel in den eineinhalb Jahren, in denen ich die Universität Erfurt in ihrem Markenfindungprozess begleitet habe, oft mehrfach die Woche von Hamburg nach Erfurt gefahren, um mich mit den verantwortlichen Menschen der Universität zu treffen. Denn: Ja klar – im persönlichen Gespräch sind viele Dinge einfacher zu klären, gerade wenn es darum geht, alle mit in ein Boot zu holen oder auch mal bei Unstimmigkeiten zu moderieren.
Für mich war das ok. Ich hatte eine Bahncard50 und wohnte in Hamburg nur fünf Minuten vom Bahnhof Altona entfernt. Und ob ich mich nun vier Stunden im Zug auf das Meeting vorbereite oder Zuhause in meinem Studio, machte für mich keinen großen Unterschied.
Auf diese Weise durfte ich also lernen, dass Entfernungen, die mit dem öffentlichen Verkehrsmitteln logistisch handelbar sind, für meine Auftraggeber*innen keinen großen Unterschied machen.
Doch eine Frage blieb: Wie ist es, wenn ich in ein anderes Land ziehe? Denn der Wunsch nach einem Mumin-Leben im Norden blieb. Da saß ich nun in Hamburg und kam nicht weg. Ein wichtiger Grund waren meine Lehraufträge. Diese haben mir viel Spaß gemacht und es kam zumindest so viel Geld zusammen, dass es für meine Krankenkasse reichte. Und das hat für mich als Freiberufler*in, die noch nie ein regelmäßiges Einkommen in ihrem Leben hatte, einen gewissen Komfort erzeugt.
Der war komfortabel genug, um nicht loszulaufen. Irgendwann wurde mir trotzdem klar, dass, wenn ich jetzt nicht losgehe, der Traum vom finnischen Leben niemals Realität werden wird.
Wenn ich ehrlich bin, fiel der Startschuss erst durch eine persönliche Lebenskrise, in der mein bisheriges Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Erst dadurch bin ich losgelaufen. Endlich. Dabei habe ich ein paar Dinge gelernt, die ich gerne mit dir teilen möchte, für den Fall, dass du auch mit dem Gedanken spielst, deinen Wohn- und Arbeitsort anzupassen – an deine Bedürfnisse und an deine Wünsche und Ziele.
Es muss ja nicht zwingend ein anderes Land sein. Es reicht ja schon, von Hamburg ins Wendland zu ziehen oder von Berlin in die Uckermark. Oder nach Leipzig, das ja angeblich das neue Berlin ist.
Mit dem folgenden 4-Schritte-Plan kannst du für dich entscheiden, ob ein Ortwechsel bei dir ansteht und wie du diesen als kreative Unternehmer*in angehst – bestenfalls ohne deine Bestandskund*innen zu verlieren.
Egal, wohin es dich zieht – werd dir im ersten Schritt klar über dein Warum. Denn eine typische Falle ist der Gedanke, dass das Gras grüner ist auf der anderen Seite. Dass wir ganz sicher erfolgreicher, glücklicher und zufriedener wären, wenn wir doch nur woanders leben würden. Doch hier kommt eine unschöne Wahrheit: Egal, wohin du ziehst, deine Probleme und Blockaden werden mit dir reisen.
Doch natürlich gibt es auch gute Gründe für einen Ortswechsel. Mehr Natur. Mehr Ruhe. Günstigere Mieten. Bessere Arbeitsbedingungen. Coolere Leute.
Frag dich, was genau die Gründe für deinen gewünschten Ortwechsel sind und wie sich dein Leben durch den neuen Ort verändern würde? Und was gibst du gleichzeitig auf? Ist dir das, was du bekommst, das ganze Tamtam wert? Und dann schau auch noch einmal ganz ehrlich hin und überlege, ob du das gegebenenfalls auch schon heute und hier, wo du gerade bist, angehen könntest?
Schau auch einmal ganz realistisch auf die Dinge, die du tun müsstest, um an diesem neuen Ort anzukommen. Bist du bereit dazu? Bei mir ist es ja zum Beispiel nun mal so, dass mit dem Umzug nach Finnland auch die finnische Sprache in mein Leben eingezogen ist. Diese ist ja bekanntlich nicht so leicht zu lernen und nach zweieinhalb Jahren kann ich sagen, dass mein Wunsch, fließend Finnisch zu sprechen eher so ein Langzeitprojekt ist.
Und auch wenn die Finn*innen üblicherweise sehr gut Englisch sprechen, gibt es mit der fehlenden Sprachkenntnis diese unsichtbare Barriere. So richtig dazu gehört man erst, wenn man die Landessprache spricht. Und das hat natürlich auch Einfluss auf meine Arbeit. Bestimmte Arten von Aufträgen werde ich hier ohne handfeste Finnisch-Kenntnisse nicht akquirieren können. Gleichzeitig ist es für mich so viel schwerer geworden, in Deutschland bestimmte Arten von Aufträgen zu akquirieren. Denn die zu überwindende Distanz ist nun mal nicht mehr mit einer ICE-Fahrt zu überwinden.
Dementsprechend stand auf meiner Todo-Liste die Aufgabe einer Neupositionierung. Denn es war klar, dass bestimmte Auftragsarten und meine Lehraufträge wegfallen würden mit dem Umzug und dass die ich diese mit anderen Einnahmequellen ersetzen müsste.
Du könntest auch in einem persönlichen Gespräch bei deinen Auftraggeber*innen nachfühlen, wie sich eure Zusammenarbeit durch einen Ortwechsel verändern würde. Dabei kann es helfen, wenn du aufzeigst, dass du bereit bist, Mehraufwand zu leisten, damit sich für dein Gegenüber so wenig wie möglich verändern wird.
Du könntest auch vorschlagen, dass ihr euch regelmäßig online seht. Die Digitalisierung und superschnelle Internetverbindungen machen es ja möglich.
Bei mir war zum Beispiel auch die Rechnungsstellung ein wichtiges Thema. Mit dem Umzug in ein anderes Land steht auf der Rechnung ja auf einmal eine andere Mehrwertsteuer, die deutschen Unternehmen nichts mehr bringt und schlimmstenfalls deine Arbeit für dein Gegenüber teurer macht. Hier war es mir wichtig, bei meinen Kund*innen proaktiv das Thema anzusprechen und Lösungen anzubieten. Haben beide Seiten eine Umsatzsteuer-ID ist alles easy-peasy. Mein Gegenüber bekommt eine Reverse-Charge-Rechnung ohne Mehrwertsteuer und ich koste genau das gleiche wie Kolleg*innen mit deutschem Wohnsitz.
Frag dich also: Was brauchst du alles, um an deinem neuen Wohnort gut durchzustarten? Und was kannst du jetzt schon tun, um gut gerüstet zu sein?
Und dann geht’s schon weiter mit Schritt #3: dem Loslaufen. Denn es ist in den meisten Fällen sinnvoll, gleichzeitig zu planen und schon einmal die ersten Schritte in die richtige Richtung zu machen.
Der von mir geplante Umpositionierungsprozess dauert zum Beispiel immer noch an. Ich habe 2019 und 2020 die Weichen gestellt, einige Türen geschlossen, damit sich andere öffnen konnten, aber komplett durchplanen konnte ich meine neue Positionierung nicht. Und das erscheint mir sehr normal.
Wenn du neue Wege für dich einschlägst, erlaube dir, deinen Prozess im Gehen weiterzuentwickeln. Erst das schafft dir die Möglichkeit, bestimmte Parameter auch flexibel anzupassen. Denn vielleicht verändern sich ja bestimte Konstellationen oder du hast einige Dinge zu Beginn deines neuen Weges anders eingeschätzt als sie sich jetzt darstellen. Das Ganze ist ein Prozess und bei den meisten Kreativen wird es so sein, dass dieser Prozess mit dem Umzug erst so richtig ins Rollen kommt. Das ist der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Und hier hilft dir ein starkes Warum und eine Portion Vertrauen in dich und deinen Weg.
Und dann heißt es volle Fahrt voraus! Auf zu neuen Ufern. Vielleicht merkst du ja jetzt, dass jetzt eine Angst in dir aufsteigt, mit deinem Umzug von der Bildfläche zu verschwinden und in der unternehmerischen Bedeutungslosigkeit zu landen. Hier kann ich dich beruhigen: Ob du für deine Kund*innen und dein Netzwerk sichtbar bist, hängt nicht von deinem Wohnort ab. Du kannst auch mitten in Berlin leben – wenn du keine Akquise machst und auf niemanden proaktiv zugehst, dann sieht dich auch mitten in der Hauptstadt niemand.
Bei den meisten Kreativen finden sich Wege und Mittel, auch mit dem Umzug aufs Land oder ins Ausland trotzdem für das eigene Netzwerk und die Kund*innen präsent zu bleiben – selbst wenn du nicht mehr um die Ecke wohnst. Die Frage ist, bist du bereit, den Mehraufwand auf dich zu nehmen?
Deshalb jetzt mal die Frage an dich: Überlegst du auch, auf’s Land, in die Uckermark oder auf die andere Seite der Welt zu ziehen? Was zieht dich dorthin? Und was hält dich ab, deine Träume Realität werden zu lassen? Und was brauchst du, um dich zu trauen? Teile deine Erfahrungen gern unter dem Podcast, hier direkt unter dem Blogartikel oder auf Instagram.
Und damit wünsche ich dir alles Liebe.
Wir hören uns wieder nächste Woche, bis dahin, Franziska
Darf ich dich heute um einen Gefallen bitten?
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Hast du noch mehr Portfolio-Fragen? Schreib mir gern, dann nehme ich diese gern in den kommenden Blogposts auf. Liebe Grüße, Franziska