In den letzten Wochen habe ich viel darüber nachgedacht, was es bedeutet, zu starten und erste Schritte zu gehen – und warum das oft so verdammt schwer ist. Wir alle starten ja immer mal wieder als Anfänger*in. Wir beginnen mit etwas Neuem, mit etwas, was wir so noch nicht gemacht haben. Und wir lernen – hoffentlich ein Leben lang.
Wenn ich etwas Neues wage und etwas angehe, was ich bisher noch nicht gemacht habe, dann bin ich üblicherweise noch nicht so erfahren, sachkundig und kompetent in dieser Sache. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich merke in diesen Momenten oft, dass ich es aber gerne schon wäre: erfahren, kompetent und sachkundig. Vielleicht sogar auch richtig gut, was immer das auch bedeuten mag. Und das liegt mit Sicherheit daran, dass ich gern gut in den Dingen bin, die ich mache. Geht dir das auch so? Wahrscheinlich schon.
Und wenn ich ehrlich bin, dann merke ich, dass ich manchmal vermeide, diese wichtigen neuen Schritte zu gehen. Weil ich den Gedanken im Kopf hab, noch nicht gut genug zu sein. Vielleicht kennst du das ja auch.
Darum soll es heute gehen. Um die Angst beim Starten und Beginnen. Und das Vermeiden. Denn wenn du wie ich viel vor hast und etwas in der Welt bewegen möchtest, dann wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht darum herumkommen, immer mal wieder mit etwas Neuem anzufangen.
Und ich möchte heute mit dir meine Gedanken und Beobachtungen dazu teilen, damit es dir vielleicht in Zukunft leichter fällt, mit etwas Neuem zu beginnen. Als Anfänger*in.
Vielleicht denkst du ja jetzt: Franziska, was meinst du genau mit Anfangen? Ich meine hier alles, was Muffensausen in dir auslöst, weil du es gerade das erste Mal machst. Vielleicht bedeutet das für dich, das erste Mal auf die Buchmesse zu fahren, oder vielleicht ist es das erste Portfolio, das du bewusst zur Kaltakquise verschickst. Oder vielleicht ist es auch für dich der Versand deines ersten Newsletter oder auch das erste Gespräch, in dem du eine Kostenkalkulation mit deinen Kund*innen persönlich besprichst, weil du das einfach vorher noch nie gemacht hast. Vom Prinzip kann es alles sein, was neu für dich ist und wo du noch nicht weißt, wie gut dir das gelingen wird.
Auslöser für meine Überlegungen zu dieser Episode war die PP-Folge #69 mit Marloes De Vries. Diese ist für mich ein Meilenstein, denn sie ist die erste englischsprachige Podcast-Folge.
Ich habe viel Feedback bekommen auf diese Episode. Vor allen Dingen zu meinem Englisch. Das lag ganz sicher daran, weil ich im Intro darüber gesprochen habe, wie unkomfortabel ich mich damit fühle, öffentlich Englisch zu sprechen – was ziemlich verrückt ist, weil ich hier in Finnland jeden Tag Englisch spreche: mit meinen Nachbarn, beim Einkaufen, mit meiner Steuerberaterin und mit meinen finnischen Freund*innen und Kolleg*innen. Trotzdem habe ich in den Tagen vor der Veröffentlichung wegen der Englisch-Sache Blut und Wasser geschwitzt.
Und dann ist glücklicherweise das passiert, was in meinem Leben schon oft passiert ist beim Beginnen und Anfangen: nämlich nichts Schlimmes.
Ich hatte das größte Muffensausen überhaupt … aber die Welt ist überraschenderweise nicht untergegangen, niemand hat mich ausgelacht und es landeten auch keine gemeinen Nachrichten in meinem Postfach. Denn: große Überraschung. Die Welt dreht sich nicht um mich und meine Unsicherheiten.
Eigentlich ist sogar das komplette Gegenteil passiert. Nachdem der Podcast herausgekommen ist, habe ich viele positive Nachrichten bekommen. Von Menschen, die mich ermutigt haben, weiterzumachen und die sich bedankt haben für das Interview mit Marloes – das ohne die englische Sprache so nicht möglich gewesen wäre.
Noch einmal ein ganz großes Danke an all die Menschen, die mich da unterstützt haben. Ihr seid toll!
In den Tagen nach der Veröffentlichung war ich einerseits ganz berührt von den vielen lieben Nachrichten. Und gleichzeitig kam auch so ein bisschen Scham auf. Weil ich so ein Brimbamborium um meine Ängste gemacht hatte. Und weil mir bewusst wurde, wie verrückt überdimensioniert die Größe meiner Ängste gewesen war.
In solchen Momenten setz ich mir gern meine Forscherinnen-Brille auf die Nase und schaue genau hin. Denn ich finde es spannend, diese inneren Prozesse noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Weil: Selbstreflexion und ehrliches Hinschauen sind Superkräfte, die für Wachstum und Veränderung essenziell sind. Daran glaube ich ganz fest. Wenn ich möchte, dass das Anfangen und Neues ausprobieren leichter wird, dann ist es sinnvoll, zu verstehen, warum es so schwer ist – denn nur damit kann ich überlegen, wie ich es für mich in Zukunft leichter machen kann. Und das gilt, glaube ich, für alle Menschen.
Also: Am Anfang stand die Frage: Warum war das Anfangen so unangenehm? Und wenn ich ehrlich zu mir bin, dann sehe ich, dass ich Angst hatte. Ich hatte Angst, ausgelacht zu werden, kritisiert zu werden. Oder abgelehnt zu werden.
Das sind alles Ängste, die wahrscheinlich viele Menschen kennen. Denn am Ende wollen wir doch nur alle gesehen und akzeptiert werden für die, die wir sind.
Und alle diese Ängste und Gefühle sind ja erst einmal valide und dürfen sein. Die Frage ist eher, wie wir mit den Ängsten umgehen und wie wir sie bewerten. Denn Angst, die frei walten kann, sorgt schnell für Vermeidung. Und damit werden Ängste zu echten Bremsen – gerade, wenn du viel vor hast – denn in der Konsequenz bedeutet viel vorhaben, dass du die gewohnten Ufer verlassen wirst und regelmäßig mit Ungewohntem und Neuem beginnen wirst.
Gerade die Frage nach der Angemessenheit hat mich lange beschäftigt. Einerseits, weil die Nachrichten, die bei mir eintrudelten, mir zurückgespiegelt haben, dass die Größe meiner Angst eben nicht angemessen war. Und auch, weil mir auffiel, dass diese Angst einen komischen, extrem hohen Anspruch maskierte, der mir im Nachhinein fast ein bisschen unangenehm war.
Denn hinter der Angst steckt der Anspruch, von Anfang an richtig, richtig gut zu sein. So aus dem Stand. Ohne zu üben und einfach so.
Mein Anspruch klang in etwa so: Franziska interviewt das erste Mal eine Person auf Englisch und macht keinen einzigen Fehler, ist super eloquent und spricht wie eine Muttersprachlerin. Das war der Anspruch. Und was mir daran wirklich schon fast peinlich war, war die Idee, die darin steckt: von Anfang das Maximum, was erreichbar ist, zu erreichen. Sozusagen den berg nicht zu besteigen, sondern sofort *plopp* oben auf dem Gipfel des Berges zu stehen. Aber es ist total normal, beim Anfangen eben noch nicht auf der Spitze des Berges angekommen zu sein, sondern unten den ersten Anstieg anzugehen.
Und dieser verrückte hohe und unrealistische Anspruch hat mich einige graue Haare gekostet, während ich Blut und Wasser geschwitzt habe – und es hat Stress und Leid erzeugt. Und ich kann sehen, dass mir diese Erkenntnis in Zukunft helfen wird. Hoffentlich erinnere ich mich daran.
Deshalb möchte ich das heute mit dir teilen, denn vielleicht kennst du diese Ansprüche ja auch – diese Ansprüche, von Anfang an, gut, erfolgreich und fehlerfrei zu sein – und sofort auf den Gipfel des Berges gebeamt zu werden. Was immer der Gipfel des Berges für dich bedeutet.
Ich habe in den letzten Jahren zwar gelernt, Wohlwollen und Geduld für mich selbst zu kultivieren und milde mit mir zu sein. Das bedeutet aber nicht, dass die kritischen Stimmen und meine Unsicherheiten verschwinden. Die sind immer noch da und gerade in Situationen, in denen ich gestresst bin, weil ich etwas Neues mache, kommen sie aus den Untiefen meiner Psyche wieder hervor und sprechen absurd hohe Ansprüche aus.
+ Sei perfekt.
+ Mach keine Fehler.
+ Sei besser, höher, weiter.
Wenn ich gestresst bin, höre ich eher hin. Absurderweise mache ich dann ganz oft mehr Fehler und schöpfe eben explizit nicht das Potenzial aus, das ich hier gerade an der Stelle meines Weges ausschöpfen könnte. Einfach, weil ich so gestresst bin von den inneren Ansprüchen.
Es ist sogar komplett egal, ob meine Expertise wirklich noch nicht so weit ist, wie sie sein müsste oder ob ich nur denke, dass sie noch nicht so weit ist. Die Gefühle sind die Gleichen. Ich habe das Gefühl, nicht zu reichen und noch nicht gut genug vorbereitet zu sein.
Mir hat es geholfen, diese Situation mit Abstand zu betrachten und zu realisieren, was da eigentlich in mir abgeht. Und mir dann zu erlauben, eben nicht perfekt vorbereitet zu sein, Fehler zu machen, kleine und vielleicht auch mal größere. Eben nicht sofort die Beste zu sein, sondern mir zu erlauben, langsam meinen Weg zum Berggipfel anzugehen und Schritt für Schritt los zu marschieren, bis ich oben ankomme.
Und wenn ich zurückblicke, war ich in vom Prinzip allen Dingen, in denen ich angefangen habe, im Moment des Anfangens genau das – eine Anfängerin, die Fehler macht und noch nicht ihr volles Potential ausschöpfen kann.
Als ich im Jahr 2006 als freiberufliche Designer*in begonnen habe, hatte ich deutlich weniger Expertise als heute. Ich konnte genug, um anzufangen, aber heute kann ich so viel mehr und fühle mich so viel sicherer in meiner Expertise. Heute sag ich mit Selbstbewusstsein, dass ich eine Badass-Designerin bin.
Vier Jahre später, als ich im Jahr 2010 als Illustratorin die ersten Male bewusst für Akquise auf die Buchmessen gefahren bin, war mein Illustrationsportfolio noch nicht gut. Aber es ist gut geworden seitdem, mit jedem Schritt und weil ich mir erlaubt habe, die Absagen nicht persönlich zu nehmen, sondern weiter an meinem Portfolio zu arbeiten. Heute habe ich meine Stimme gefunden – auch wenn ich weiß und mich darauf freue, dass da noch so viel mehr geht.
Die erste Podcast-Folge, die vor über einem Jahr erschienen ist, ist technisch das, was ich mir damals mit Hilfe von ein paar Youtube-Videos angeeignet hatte. Damals habe ich mindestens doppelt so viel Zeit für die Produktion gebraucht. Heute weiß ich so viel mehr über Audio und wie ich meine Scripte schreibe und Interviews führe. Und ich freu mich auf das, was da noch kommt.
All das ist nur möglich, weil ich angefangen habe – als ich noch nicht wirklich gut war.
Es wäre auch ziemlich langweilig, wenn wir von vornherein sofort dort wären, wo wir mal hinkommen könnten. Oder? Der Weg ist ja das Ziel – und der soll Spaß machen. Es ist so viel schöner, den Anstieg zu genießen, anstatt die ganze Zeit nur oben auf dem Berggipfel sitzen zu müssen. Gleichzeitig frage ich mich auch, ob es überhaupt so erstrebenswert ist, ganz oben anzukommen. Denn danach gibt es ja nur noch den Abstieg … Wie wäre es denn, wenn wir uns erlauben, einfach immer weiter nach oben zu klettern, den Weg zu genießen und einfach Spaß zu haben. Klar. Es ist schön, bestimmte Teilziele zu erreichen, ab und an auch mal eine Pause zu machen, in der Sonne zu sitzen und den Ausblick zu genießen. Aber braucht es dafür überhaupt den Berggipfel?
In meinem letzten Newsletter hat Lisa Frühbeis, mein Interview-Gast in der Podcast-Folge letzte Woche, den Tipp geteilt, dass sie als Ausgleich zur professionellen kreativen Arbeit Ukulele spielt – mit dem Ziel, nicht gut darin zu sein und es nur der Freude wegen zu machen. Etwas bewusst ohne Anspruch zu machen, halte ich für eine supertolle Idee. Ich selbst habe mit 35 mit klassischen Ballett angefangen und mag daran, dass es mich so glücklich macht, selbst wenn ich wirklich nicht gut darin bin – und es wohl auch nie sein werde, weil der Zug zur Primaballerina einfach vor über 30 Jahren für mich abgefahren ist.
Deshalb jetzt mal die Frage an dich: Wo hast du unrealistische Ansprüche an dich selbst? Und welche Folgen haben diese Ansprüche für dich? Unterstützen sie dich oder bremsen sie dich eher aus? Und was könntest du heute einfach nur der Freude wegen tun, ohne Anspruch, ohne Ziel, einfach nur, um Spaß zu haben und die Aussicht zu genießen?
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Und damit wünsche ich dir alles Liebe.
Wir hören uns wieder nächste Woche, ich freu mich auf dich,
bis dahin, Franziska
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