Heute möchte ich dir gern Möglichkeiten vorstellen, wie du dich als kreative*r Unternehmer*in rechtlich so aufstellst, dass du dich sicher und selbstbestimmt in Situationen fühlst, in denen du deine Rechte vertrittst und/oder einforderst.
Vielleicht liegt ja gerade ein sehr kompliziert klingender Vertrag vor dir. Verträge sollten ja eigentlich so formuliert sein, dass alle Beteiligten sie auch ohne Jurastudium verstehen. Doch in der Realität sieht das eben manchmal anders aus. Oder aber du hast gerade eins deiner Werke im Internet entdeckt, und zwar auf einer Seite, die dein Bild unrechtmäßig nutzt. Was dann? Wie kannst du dich rechtlich hier gut informieren und gut für dich sorgen?
Gleich zu Beginn möchte ich dich ermutigen, selbst Gesetzestexte zu lesen. Im ersten Schritt wirkt das für viele erst einmal gruselig und abschreckend, aber die Gesetze deines Landes sind die Rechtsgrundlage für alles. Wenn du mit diesen arbeitest und sie verstehst, kannst du bessere Entscheidungen für dich treffen.
Und wenn du erst einmal angefangen hast, Gesetzestexte zu lesen, um Antworten auf deine Fragen zu finden, wird dir auffallen, dass die Gesetze oftmals gar nicht so kompliziert sind, wie du im ersten Moment vielleicht gedacht hast. Sie sind mit dem Ziel formuliert, unmissverständlich zu sein. Das ist den Gesetzgeber*innen manchmal nur bedingt gelungen, aber in den meisten Fällen wirst du die Informationen, die du brauchst, in der eigentlichen Gesetzgebung finden.
Viele Länder publizieren ihre aktuelle Gesetzgebung auf einer Website. In Deutschland heißt die zum Beispiel gesetze-im-internet.de. Achte hier darauf, die offiziellen Quellen deiner Regierung zu nutzen, damit du auch immer auf dem aktuellen Stand bist. Denn: Gesetze ändern sich ab und zu.
Hier eine Liste der Regierungsseiten von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Finnland.
Deutschland: https://www.gesetze-im-internet.de/
Österreich: https://www.ris.bka.gv.at/Bund/
Schweiz: https://www.gesetze.ch/
Finnland: https://www.finlex.fi/en/Randnotiz: Für all die Kreativen, die in einem anderen EU-Land leben. Schickt mir gern einen Link zur Seite eurer Landesgesetzgebung, dann ergänze ich den Link hier und in den Shownotes des Podcasts. Danke!
Als kreative Unternehmer*innen müssen wir uns mit verschiedenen Gesetzen gut auskennen. Aber nicht mit allen. In Deutschland kannst du dich zum Beispiel hauptsächlich auf drei fokussieren.
Wir als Urheber*innen werden ja einerseits für die Zeit bezahlt, die wir brauchen, um unsere Arbeit zu erstellen, aber … eben nicht nur. Gleichzeitig räumen wir auch Nutzungsrechte ein, damit unsere Auftraggeber*innen unsere Arbeit für sich wirtschaftlich verwerten dürfen, also nutzen dürfen, um damit Geld zu verdienen. Das Urheberrechtsgesetz bildet das Fundament für unsere Arbeit, denn dieses Gesetz schreibt fest, warum urheberrechtliche Leistung keine reine Dienstleistung ist und wie wir unsere Werken über Nutzungsrechte lizenzieren.
Je nachdem, wie wir uns als Unternehmer*innen aufgestellt haben, gelten unterschiedliche Umsatzsteuer-Sätze für unsere Arbeit. Wie genau das geregelt ist, beschreibt das Umsatzsteuergesetz.
Als Unternehmer*innen zahlen wir Einkommenssteuer auf unsere Gewinne, die wir mit unserer Arbeit erwirtschaften. Im Einkommenssteuergesetz sind die Regeln dafür definiert.
Randnotiz für deutsche Zuhörer*innen: Für die von uns, die auch seriell hergestellte Produkte verkaufen und auf diese Weise Gewerbe betreiben, sind noch das Gewerbesteuergesetz (GewStG) und die Gewerbeordnung (GewO) von Relevanz. Auch für die Abgrenzung von Freiberuflichkeit und Gewerbe hilft ein Blick in diese Gesetze.
Freiberufliche Tätigkeiten (siehe dazu § 18 EStG). sind dagegen zum Beispiel das Kreieren von illustrativen Werken oder das Entwickeln von Konzepten und Design. Das, was verkauft wird, sind hier im Gegensatz zum Gewerbe also Dienstleistungen. Als Freiberufler*in brauchst du in Deutschland keinen Gewerbeschein und musst dich nur um die Umsatzsteuer und die Einkommenssteuer kümmern, aber keine Gewerbesteuer zahlen. Nur wenn du serielle Produkte verkaufen möchtest, ist es in den meisten Fällen notwendig, auch ein Gewerbe anzumelden. Lass dich hier am besten steuerlich beraten.
Randnotiz für alle anderen: In den anderen europäischen Ländern kann das ganz anders geregelt sein. In Finnland ist der Begriff Freelancer zum Beispiel nicht gleichbedeutend mit der deutschen Definition von Freiberuflichkeit, sondern beschreibt eine vereinfachte Form der Einkommenssteuerabgabe über eine Steuerkarte. ... Vorsicht also mit bestimmten Begriffen und deren Übersetzungen .. einige gehen »lost in translation« ...
Es ist also erst einmal eine gute Idee, selbst die Gesetzgebung zu studieren. Doch manchmal reicht das eben nicht – manchmal braucht es mehr Beratung. Aber welche ist die richtige? Und wo findest du die richtigen Ansprechpartner*innen. Dazu möchte ich dir eine Geschichte aus meiner eigenen Vergangenheit erzählen.
Im Jahr 2012 saß ich in meinem Weimarer Studio, es war Sommer, die Sonne schien. Auf einmal plingte mein Telefon und eine Textnachricht von einer Freundin kam an. Sie meinte, dass sie in Hamburg sei und sich gerade ein Franzbrötchen gekauft hätte, bei einer Bäckerei, die genauso heißen würde wie mein Studio. (Damals habe ich noch unter einem anderen Namen als Sehenistgold gearbeitet.)
Mit ist erst einmal mein Herz in die Hose gerutscht, denn ich hatte meinen Studio-Namen nicht als Marke angemeldet. Was dann passierte war purer Aktionismus auf meiner Seite. Ich fing an im Internet zu recherchieren, wie das eigentlich funktioniert mit Markenrecht, fand besagte Bäckerei und einen Eintrag im Deutschen Marken- und Patentamt, der besagte, dass diese Bäckerei wirklich meinen Namen vor ein paar Monaten als Marke angemeldet hatte und die Einspruchsfrist gerade letzte Woche abgelaufen war. Daraufhin wurde ich etwas panisch und machte zwei Sachen: Ich schrieb eine Email an die Rechtsberatung der IO, in der ich seit einigen Jahren Mitglied war. Und ich rief parallel einen lokalen Anwalt an. Dieser lud mich ganz herzlich zu einem kurzfristigen Beratungsgespräch am Nachmittag ein. In meiner Panik sagte ich zu und saß kurze Zeit später im Beratungsraum des besagten Anwaltes. Dort schauten wir gemeinsam in die öffentlich zugängliche Datenbank des Deutschen Marken- und Patentamtes, in die ich selbst schon am Vormittag hineingeschaut hatte. Und eine halbe Stunde Stunden später ging ich aus dem Beratungsgespräch heraus – mit einer Rechnung über knapp 300€ und einem Kostenvoranschlag über 2.000€ für eine Klage gegen besagte Bäckerei.
Einen Tag später erreichte mich die Emailantwort der Rechtsberatung der IO. Sie kam innerhalb von 24 Stunden und mit deutlich branchenspezifischeren Infos und einer Einschätzung, wie erfolgreich eine Klage wäre. Die Erfolgschancen wären nicht sonderlich hoch, es würde Zeit, Nerven und Geld kosten und es wäre auch nicht zwingend notwendig. Viel sinnvoller wäre eine Kontaktaufnahme mit der Bäckerei, um sich außergerichtlich zu einigen und abzusichern.
In diesem Beispiel gab es also von zwei fachlich kompetenten Personen zwei sehr unterschiedliche Meinungen zu sehr unterschiedlichen Preisen. Ich habe mich am Ende entschieden, der Empfehlung des IO-Justiziars zu folgen. Ich habe den Aktionismus beiseite gelegt, erst einmal ein paar Nächte darüber geschlafen und dann die Entscheidung getroffen, mein Studio einfach umzubenennen .. was ich eigentlich bauchmäßig schon länger vorhatte.
Direkt eine*n Jurist*in zu beauftragen kann sich für viele Anwendungsbeispiele zu groß anfühlen, denn eigentlich will man doch nur mal kurz eine Einschätzung. Außerdem kann es recht schnell ganz schön teuer werden, für die alltäglichen Fragen des Berufsalltags immer eine*n Anwalt*in mit dazuzuholen. Das wissen auch die Berufsverbände. Sie bieten deshalb oftmals eine Rechtsberatung als Teil ihrer Mitgliedschaft an. Zusätzlich ergibt sich daraus der Vorteil, dass diese Jurist*innen fachlich auf deine Branche und in deiner Branche übliche urheberrechtliche Fragestellungen spezialisiert sind.
Viele Berufsverbände inkludieren in ihre Mitgliedschaft auch eine Rechtsschutzversicherung, die du nutzen kannst, wenn deine Auftraggeber*innen zum Beispiel nicht zahlen, deine Werke unautorisiert genutzt werden (Urheberrechtsverletzungen) oder du nachträglich eine angemessene Vergütung für deine Arbeit erwirken möchtest.
Im Vergleich zur persönlichen Beratung beim Anwalt um die Ecke hast du mit nur einer Rechtsberatung pro Jahr durch deinen Berufsverband meistens schon fast den Mitgliedsbeitrag wieder drin. Deshalb hier mein Tool-Tipp #2.
In Deutschland gibt es diverse Organisationen, die es sich als Interessenverbände zum Ziel gemacht haben, ihre Mitglieder im beruflichen Alltag zu unterstützen und auf politischer Ebene zu vertreten. Hier möchte ich dir drei Verbände exemplarisch für jeweils drei Berufsgruppen vorstellen: Illustrierende, Designer*innen und Fotograf*innen. Die Grenzen zwischen den Berufsgruppen sind allerdings fließend, weshalb sich auch viele Designer*innen in der IO finden und einige Illustrierende auch Mitglied im BDG sind. Ein guter Weg, um zu entscheiden, wo du dich am wohlsten fühlst, ist die Teilnahme an offenen Veranstaltungen. Hier bieten alle drei Verbände Möglichkeiten, auch als Nicht-Mitglied erst einmal hineinzuschnuppern und zu schauen, ob das deine »Leute« sind.
Achtung: Jetzt kommt Werbung, aber unbezahlte.
Die IO bietet als Teil der Mitgliedschaft eine Rechtsberatung, eine Rechtsschutzversicherung und eine Steuerberatung für ihre Mitglieder an. Zusätzlich finden Mitglieder hier viele weitere Ressourcen, wie zum Beispiel eine Sammlung von FAQ zum Thema Steuerrecht, ein Infoblatt zum Umsatzsteuerrecht und ein Infoblatt zum Rückruf von Nutzungsrechten. Mit dem Stand auf der Frankfurter Buchmesse und regelmäßigen Online-Veranstaltungen hast du die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen und die IO kennenzulernen. Nicht-Mitglieder sind herzlich dazu eingeladen. Auch für Nicht-Mitglieder zugänglich sind die von der IO erstellten Muster-AGB in Deutsch. Diese AGB sind für die deutsche Rechtssprechung ausgelegt, allerdings können sie mit einer marginalen Änderung auch Österreichische Kolleg*innen nutzen, denn die Rechtslagen beider EU-Länder liegen sehr nah beieinander. Englischsprachige Muster-AGB gibt’s auch, diese sind allerdings den Mitgliedern vorbehalten.
Der Berufsverband Kommunikationsdesign, kurz auch BDG genannt, ist ein Verband für Kommunikationsdesigner*innen. Mitglieder profitieren auch hier von einer kostenfreien Rechts- und Steuerberatung. Auch Muster-AGB gibt es vom BDG, allerdings nur für Mitglieder. Auch der BDG bietet viele weitere Tools und Ressourcen an, so zum Beispiel den wirklich tollen BDG-Stundensatzkalkulator, den auch Nicht-Mitglieder online nutzen können.
Für Fotograf*innen und Fotojournalist*innen gibt es dann noch Freelens. Dieser mit über 4.000 Mitgliedern große Verband machte in den letzten Jahren oft Schlagzeilen, weil sie zum Beispiel wegen der Google-Bildersuche Google verklagt haben. Auch Freelens bietet Mitgliedern eine kostenlose Rechtsschutzversicherung, Rechtsberatung und Vertragsberatung an.
Hier auch noch einmal ein Hinweis darauf, was du von einer Rechtsberatung erwarten kannst. Anwält*innen sind ja Menschen, die in ihrer Ausbildung lernen, jede Seite schlüssig zu argumentieren. Deshalb ist es meistens keine gute Idee, einen Anwalt um eine persönliche Einschätzung oder Empfehlung zu bitten. Mit Empfehlungen tun sie sich schwer. Deshalb beantworten sie dir Fragen wie »Ist dieser Paragraf gut für mich? Schadet er mir?« nicht, denn sie wissen ja nicht, was richtig für dich ist – das ist subjektiv und individuell. Du kannst sie allerdings um eine Einschätzung bitten.
Das funktioniert am besten, wenn du ganz konkrete Fragen stellst. Das bedeutet bei einer Vertragsprüfung leider oft, dass du trotz Rechtsberatung die ungeliebte Arbeit des Vertrag-Durcharbeitens selbst machen musst. Solche Verträge sind ja nicht selten mal 20 Seiten lang und das ist viel Arbeit. Allerdings lernst du auf dem Weg auch gleich ganz viel dazu. Und du kannst bessere und lösungsorientiertere Fragen stellen. Dann wird aus deiner Frage »Ist dieser Paragraf gut für mich? Schadet er mir?« dann zum Beispiel die Frage: »Bedeutet dieser Paragraf in meinem Vertrag, dass ich meine Nutzungsrechte allumfänglich abgebe? ... Aha, das möchte ich aber nicht. Was kann ich tun, um die Nutzungsrechte stärker einzugrenzen.«
Und damit möchte ich jetzt mit einer Frage an dich enden: In welchen Situationen wünschst du dir mehr rechtliche Expertise? Was würde sich verändern, wenn du dich hier sicherer fühlen würdest? Und was kannst du für dich tun, um hier mehr Selbstsicherheit für dich zu schaffen?
Mit diesen Fragen wünsche ich dir eine schöne Woche und wir sehen uns am nächste Donnerstag. Alles Liebe, Franziska
Darf ich dich um einen Gefallen bitten?
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