Vielleicht hast du dich das ja auch schon mal gefragt: Wie stark verändert die Digitalisierung deine Märkte? Tut sie das überhaupt? Woran merkst du das? Heute würde ich gern mit dir über die Digitalisierung sprechen und wie diese die Strukturen der Kreativwirtschaft formt.
Auch wenn ich erst seit 15 Jahren als Designer*in und Illustrator*in arbeite, kann ich sehen, dass sich meine Märkte in den letzten 15 Jahren definitiv stark verändert haben.
Als ich mich im Jahr 2006 beim Finanzamt angemeldet habe, war ich noch Studentin – und ein Mensch ohne Smartphone. Facebook gab es zwar schon, aber zu der Zeit hingen in Deutschland die meisten Menschen noch bei StudiVZ und MySpace ab. Instagram trat erst vier Jahre später auf die Bühne.
Damals hatte Adobe gerade das CS vor die Versionsnummer gestellt, was aufregend klang und wie die Zukunft. Anstelle mit Indesign 2.0, die übrigens die erste Version für den Mac war, arbeitete ich im Jahr 2006 mit Indesign CS2. Woohoo!
Das Wort Digitalisierung geisterte damals schon herum. Ich kannte es vor allem aus meinem Architekturstudium, in dem ich zu Beginn noch auf Transparentpapier und mit Rapidografen gezeichnet hatte, um am Ende des Studiums alles digital in CAD (computer-aided design)-Programmen zu zeichnen.
Als ich das erste Mal mit professionellen Ambitionen auf die Buchmesse fuhr – so genau weiß ich gar nicht mehr, wann das war: wahrscheinlich im Jahr 2005 oder 2006 – waren die Verlage noch zuversichtlich und gut gelaunt. Denn im Jahr 2006 wurden in Deutschland über 80.000 neue Bücher publiziert – wieder einmal eine Rekordzahl.
Viel hat sich verändert. Die Buchzahlen sinken. Die Verlage sind deutlich weniger gut gelaunt. MySpace ist in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, dafür sind heute alle auf Instagram, TikTok und YouTube. Statische Bilder sind angeblich out, Bewegtbild soll die Zukunft sein.
Und es zeigt sich, dass einige Kreative in den letzten Jahren auch zu Social Content Creators geworden sind, also zu Personen, die Inhalte für die sozialen Netzwerke produzieren und dort posten. Vielleicht haben sie zu Beginn angefangen, Bilder und Animationen einfach nur aus Freude am Machen zu erstellen und zu posten, doch sobald die Anzahl an Follower*innen eine bestimmte Zahl überschreitet, stellt sich auch für Kreative die Frage, ob sie jetzt sogenannte Influencer*innen sind oder nicht und ob das Ganze auch wirtschaftlich etwas wert ist bzw. eine Bedeutung hat.
Heute soll es deshalb um die Frage gehen: Wie sieht die Zukunft der Kreativwirtschaft im Kontext der Reichweite oder der sogenannten Built-in-Audience aus? Und was kommt da auf uns Kreative zu? Wird die Reichweite in den sozialen Netzwerken für Kreative eine relevante Kenngröße für das eigene Angebot? Müssen kreative Unternehmer*innen zwingend zu Social Content Creators werden?
Ich weiß, das ist kein einfaches Thema und bestimmt auch eins, in dessen Rahmen kritische Diskussionen angebracht sind. Auch ich sehe die Gefahren, die die sozialen Medien für unsere Gesellschaft, unsere demokratischen Werte und unser friedliches Zusammenleben darstellen. Darum soll es heute allerdings nicht gehen.
Mit diesem Blogpost möchte ich vor allem aufzeigen, welche Möglichkeiten sich mit mehr Reichweite in den sozialen Netzwerken für dich als kreative Unternehmer*in ergeben, damit du eine selbstbestimmte Entscheidung für dich treffen kannst und du mit mehr Bewusstsein den Wert, den deine Social-Media-Posts erzeugen, wahrnimmst. Damit du für dich die Frage beantworten kannst, ob das ein ein Weg ist, den du gehen möchtest und kannst?
Ein*e Influencer*in ist eine Person mit großer Reichweite in den sozialen Medien, die ihre große Reichweite für Marketing- und Kommunikationszwecke kommerziell nutzt – zum Beispiel indem sie für Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen bewirbt.
Dabei wird es heute schon für sogenannte Micro-Influencer mit einer Reichweite im 4- und unteren 5-stelligen Bereich interessant, sich hier kommerziell aufzustellen. Das bedeutet, dass du dich zum Beispiel auch schon mit 7.000 Follower*innen auf Instagram als Micro-Influencer*in verstehen und bezeichnen kannst.
Vielleicht fragst du dich jetzt, was dieses Influencer Marketing mit der Kreativwirtschaft und mit dir zu tun hat. Deshalb hier mal zwei Beispiel, wie Influencer Marketing für dich als kreative Unternehmer*in, als Designer*in oder als Illustrator*in relevant werden kann.
Nehmen wir mal an, du möchtest ein Buch schreiben. Du hast ein Exposé geschrieben, dein Thema ist der heiße Scheiß und du glaubst ganz fest daran, dass sich das Buch verkaufen wird wie Bolle. Stell dir jetzt vor, du hast einen Instagram-Account mit 25.000 Follower*innen, die dich innig lieben und mit denen du aktiv und regelmäßig in Verbindung trittst. Wenn du dein neues Buch auf Instagram bewirbst, ist es recht wahrscheinlich, dass ein bestimmter Prozentsatz deiner Follower*innen das Buch auch kaufen wird. Denn sie lieben dich ja. Nehmen wir mal an, 5 Prozent kaufen dein Buch. Dann sind allein schon 1.250 Bücher verkauft, ohne dass der Verlag einen Finger krumm machen musste.
Und stell dir mal vor, du nutzt deine Reichweite ganz bewusst und kreierst mit parallel zum Erscheinen deines Buches ein paar Marketing-Aktionen, die dein Buch für deine Follower*innen noch einmal wertvoller machen – zum Beispiel bekommen sie in einem bestimmten Zeitfenster eine signierte Ausgabe mit Originalzeichnung von dir oder du veranstaltest eine Challenge zum Buchthema oder bietest eine kostenlose Live-Lesung im Internet an. Das wird dafür sorgen, dass noch mehr Personen dein Buch kaufen, vielleicht sogar 10 Prozent deiner Follower*innen. Dann hat der Verlag schon 2.500 Bücher verkauft, ohne nur ein Mü Marketing selbst machen zu müssen.
2.500 verkaufte Exemplare sind für viele Verlage schon in einem Bereich, der echte Relevanz hat. Kannst du einem Verlag so ein Angebot im Buch-Exposé darlegen, wirst du für den Verlag sofort als Geschäftspartner*in interessanter. Denn deine Follower*innen-Zahl hat einen direkten Einfluss darauf, wie und wo dein Buch sichtbar und wie gut es sich verkaufen wird. Der Verlag hat also einen monetären Vorteil von dir und deiner Reichweite. Du reduzierst für den Verlag ein Stück des Risikos und dein Buch wird leichter erfolgreich.
Oder – alternativ als Beispiel Nr. 2 – stell dir vor, eine Werbeagentur beauftragt dich, die neue Kampagne für eine neue Kosmetikserie zu gestalten. Natürlich postest du die Bilder des finalen Produktes nachher auch auf deinem Instagram-Account und machst somit auch Werbung für diese Kosmetikserie. Da deine Follower*innen sich ja für dich von Herzen interessieren, bist du glaubwürdiger und vertrauenswürdiger als die üblichen Moviestars und Filmsternchen, die traditionell Werbung für Kosmetik machen. Indem du die Produktbilder deines Auftrags postest, machst du automatisch also auch Marketing für das Produkt und wirst zu einem Gesicht für die Marke – und das ist eine Leistung, für die die Kosmetikfirma normalerweise Geld ausgibt – und eben auch für deine Leistung bezahlen sollte.
Da ich selbst wenig Erfahrung mit hohen Followerzahlen auf Instagram habe, habe ich heute eine befreundete Kolleg*in in den Podcast eingeladen: Susann Hoffman. Sie ist eine ganz tolle Illustratorin – und ist spezialisiert auf Kinderbücher, Illustrationen für Unternehmen, und Lettering, wobei alles auch gerne mal animiert sein darf. Auf ihrer Kund*innen-Liste stehen Namen wie Adobe, Prime Video, Penguin RandomHouse und CinemaxX Entertainment. Und sie hat über 70.000 Follower auf Instagram.
Und um mal ins Thema einzusteigen, habe ich sie gefragt: »Wow Susann! 70.000 Follower? Das ist wirklich beeindruckend. Wie hast du das denn geschafft?«
[Transkript: Gekürzte Version]
Ja 70.000 Follower – wobei man immer sehen muss – und das sehen oft Leute, die anfragen, oft auch nicht – dass das eine weltweite Follower*innenschaft ist – und nicht 70.000 Follower*innen in Deutschland. Und auch deutsche Firmen denken oft: »Oh wow, Susann hat ja voll die Reichweite!« und da muss ich dann sagen: »Nein, nicht in Deutschland!« Also diese 70.000 Follower*innen verteilen sich sehr. Wenn du einen deutschsprachigen Instagram-Account mit 70.000 Followern hast, dann ist das krasser. Es ist auch eine heftigere Leistung. Meine 70.000 sind nicht wenig, aber es sind eben 70.000 weltweite Follower*innen.Was hat sich denn für dich mit der Reichweite verändert? Hat sich was verändert?
Ja, auf jeden Fall. Ich überleg gerade, wie das so los ging. Es ist ja 2018 plötzlich so explodiert, dass ich innerhalb von ein paar Wochen von 3 auf 30.000 gewachsen bin, das war total surreal. Und da hab ich dann auf jeden Fall gemerkt, dass ich vorher wenig Anfragen hatte und dann kamen plötzlich ganz viele Emails mit »Ja, wir haben dich auf Instagram gefunden«. Da hab ich es auf jeden Fall gemerkt, dass sich was verändert hat. Jetzt passiert es mir gefühlt immer öfter, dass Menschen denken, sie würden mit mir eine große Reichweite bekommen und ich muss dann sagen: Nicht wirklich. Die 70.000 verteilen sich eben weltweit. Und bei mir erzeugt das ein Gefühl von Imposter-Syndrom, denn ich habe die ja nicht wirklich. Es hat aber auf jeden Fall Auswirkungen gehabt.Was ist durch die Reichweite entstanden?
Mehr Anfragen. Also einmal Kooperations-Influencer-Anfragen. Die mache ich nicht, außer es passt mega gut. Und auch generelle Anfragen für Projekte. Die sagen dann, wir haben den Stil auf Instagram entdeckt.Verstehst du dich als Influencer?
Nein ... nein, wirklich nicht. Ein Influencer ist für mich ist jemand, der Produktkooperationen und Werbung macht und das sehe ich für mich beides nicht. Es gibt ja auch eine schöne Definition für Influencer, also Leute, die eine Inspiration sind ... oder auch Sinnfluencer. Aber nein. Beides sehe ich für mich nicht wirklich.Also für mich hast du schon diesen Status.Für mich bist du eine dieser Person, die im deutschsprachigen Raum angefangen hat mit Video zu arbeiten und da ganz weit vorne warst und deshalb verbinde ich das total mit dir. Und wenn mich jemand fragen würde, ob ich eine Influencer-Person kennen würde, würde ich sagen: »Ja, ich kenne Susann.« ... also ich mein das in einem ganz positiven Sinne.
Ah, das ist aber schön 🙂 aber es ist ja auch irgendwie total witzig, dass ich mittlerweile gar nicht mehr so viele von diesen Videos mache. Also eigentlich gar nicht mehr. Weil irgendwann hat es mich total unter Druck gesetzt. Das ist irgendwie ganz merkwürdig. Ich hab ja mit so Skizzenbuch-Videos angefangen und irgendwann kam es dann, dass ich dachte: »Oh Gott, die Seiten sehen zu gut aus. Das passt da nicht mehr ..« Und das ist so krank, weil ich mich ja Filme beim zeichnen und mir auch sage, ich muss das ja nicht posten. Ich verpflichte mich ja nicht, es jemanden zu zeigen. Aber es hat was bei mir verändert ... ich brauch ganz dringend wieder ein hässliches Skizzenbuch – das hässlich sein darf!Ah, aber das ist interessant. Also angefangen hast du aus Freude und dann ist es irgendwann gekippt?
Ja, irgendwann würde es dann zu: »Ah ja, du musst mal wieder ein neues Video filmen.« Das war ganz merkwürdig! Und jetzt hat es damit geendet, dass ich gar nicht mehr mache. ... Die Freude war schon jedes Mal da bzw. sie kam dann auch jedes Mal wieder. Also dass ich vorher dachte, ja, ich müsste mal wieder was machen ... und in 90 Prozent der Fälle hab eich danach dann gedacht: Oh hat das Spaß gemacht. Aber trotzdem war es davor meist ein: Ich müsste mal wieder.Gibt es auch kritischen Aspekte, die du in den sozialen Medien beobachtest?
Also generell finde ich den Trend zum Video anstrengend, weil sich alles bewegt. Im Moment ist es ja so, dass ich scrolle und scrolle und dauernd bewegt sich was und dauernd tanzt jemand und ich kann es nicht anhalten. Und das ist so anstrengend und das finde ich schwierig. Mir ist dadurch generell der Spaß an Instagram abhanden gekommen. Und auch weil man [durch die neuen Algorithmen] seine Follower und Leute auch gar nicht mehr erreicht. Das ist schon ganz schön frustrierend. Es ist natürlich nicht alles, aber wenn du was postest und dann sehen das drei Leute ... ich will nicht sagen, dann kann man es auch lassen, aber es ist halt schön schade. Früher war das netter, da ist man viel mehr in Austausch gekommen mit Menschen. Gleichzeitig habe ich auch so einen Überdruss. Ich schau durch Instagram und es nervt mich so, dass alles so gleich und ähnlich aussieht. Und ich war letztens für eine Woche in Barcelona und es war so inspirierend, weil ich in so einem kleinen Laden, der Prints von Kolleg*innen verkauft hat, und da habe ich Arbeiten gesehen, die ich so noch nie gesehen habe – und das war so schön! Das sieht alles anders aus. Ganz toll! Und da habe ich gemerkt, was für ein Einheitsbrei das teilweise auf Instagram geworden ist. und ja, das ist ja auch klar, wir bekommen alle das gleiche ausgespielt ... und das beeinflusst uns wiederum ... ich sage nicht, dass wir kopieren, aber es beeinflusst uns auf jeden Fall ... und dadurch entwickelt sich vieles in eine ähnliche Richtung. Und das stört mich.
Auch wenn Susann ihre Reichweite ja relativiert, hat diese Einfluss auf ihre Auftragszahlen. Und das wird mehr werden in der Zukunft. Nun könntest du sagen: Hmmm, ja, weiß ich nicht … sind das nicht die Ausnahmefälle? Ist das wirklich etwas, was auch für mich und mein Unternehmen jemals relevant werden wird? Hier möchte ich dir zwei Gründe nennen, warum in den kommenden Jahren Influencer Marketing mehr werden wird.
Erst einmal ein ganz großes Hurra dazu. Das Ausspionieren und seitenübergreifende Tracken von Internet-Nutzer*innen wird immer schwieriger – und das ist eine gute Sache.
Mit der DSGVO wurde schon im Jahr 2019 die Tür aufgemacht für mehr Datenschutz innerhalb der EU. Seitdem ist viel passiert. Webseiten-Betreiber*innen müssen (zumindest innerhalb der EU) ihren Gästen ermöglichen, das Tracking zu deaktivieren. Und mit iOS 14.5 haben iPhone- und iPad-Nutzer seit 2021 die Möglichkeit, das Tracking zu blocken. Das bedeutet, dass Apps, die Verhalten überwachen und diese Daten an Dritte weitergeben, das nicht mehr tun können.
Auch viele Internetbrowser haben es sich zur Aufgabe gemacht, das seitenübergreifende Tracking, dass zum Beispiel durch den auf ganz vielen Webseiten eingebauten Facebook-Pixel möglich ist, zu blockieren.
Mit diesen neuen Möglichkeiten, den Schutz der eigenen Privatsphäre zu erhöhen, wird es für Unternehmen wie Facebook und Google schwerer, Werbung zu schalten, die individuell auf deine Interessen abgestimmt ist. Das bedeutet für Unternehmen, dass für ihr Marketing weniger und unpräzisere Daten zur Verfügung stehen – und dass ihre auf Facebook und Co geschaltete Werbung deshalb teurer wird.
Aus dem Grund werden Influencer*innen und Kreative mit großen Reichweiten in Zukunft für große Marken und deren Marketingstrategien interessanter – denn sie bringen eine eingebaute, präzise definierbare Zielgruppe mit – die auch ohne Tracking in ihren Interessengebieten klar beschreibbar ist.
Designer*innen und Illustrierende mit großen Reichweite in den sozialen Netzwerken haben sich ihre Followerschaft oft über Jahre und organisch aufgebaut. Die Menschen, die diesen Kreativen folgen, machen das, weil sie ein Interesse an der kreativen Person und deren Arbeit haben. Auf diese Weise haben diese Kreativen eine große Glaubwürdigkeit und Einfluss in dieser klar definierten Nische. Das macht sie für Unternehmen zu interessanten Partner*innen für Produktwerbung.
Hier noch einmal die Randnotiz: Ich persönlich finde es bedenklich, wenn Kreative jetzt die neuen Werbe-Galionsfiguren werden. Die meisten von uns wollen ja hauptsächlich gestalten – ich beschreibe hier nur gerade das, was passiert.
Das Buchbeispiel von eben hat es ja schon visualisiert. Hat eine kreative Person eine hohe Reichweite, werden die Produkte, also zum Beispiel die Bücher, die diese Person illustriert, automatisch vor diesem Publikum sichtbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teil dieser Follower*innen das Produkt auch kauft, ist recht groß. Dementsprechend verringert die große Reichweite der kreativen Person das wirtschaftliche Risiko des Verlages und gleichzeitig auch noch die Marketing-Kosten. Denn: Die Social-Media-Profile der Verlage zeigen oftmals niedrigere Zahlen als die der Bild-Autor*innen und Illustrierenden. Sie müssten viel Geld in die Hand nehmen, um auf traditionellen Marketing-Kanälen oder in den sozialen Medien Sichtbarkeit für ihr Produkt zu erzeugen.
Wichtig ist, die eigene Leistung zu erkennen – und sie sich bezahlen zu lassen. Hast du eine hohe Reichweite in den sozialen Netzwerken, dann solltest du das in deine Kalkulation mit einfließen lassen. Denn du übernimmst für dein Gegenüber Aufgaben, für die der Verlag oder die Agentur traditionell eh Geld ausgegeben hätte und vor denen sie profitieren.
Doch was ist üblich? Hier gibt es noch keine wirklichen festen Regeln. Neue Märkte erfordern oftmals das Verhandeln von neuen Rahmenbedingungen. Ich kann mich noch erinnern, als ich das erste Mal einen Paragraphen zur eBook-Beteiligung im Vertrag gefunden habe. Damals gab es noch keine Referenzwerte, auch wenn von Seiten der Verlage oft so getan wurde. Heute haben sich Beteiligungen von 20 bis 30% am Nettovertriebserlös im eBook-Bereich etabliert, aber damals gab es auch Vorschläge, Kreative mit nur 1% zu beteiligen. Gerade, wenn etwas Neues passiert, ist es ein bisschen wie im Wilden Westen – es gibt noch keine Regeln, diese müssen erst geschaffen werden.
Das Gleiche geschieht gerade mit den Reichweite der Kreativen. Regeln müssen her. Aufmerksamkeit muss entstehen, dass hier von den Kreativen eine Leistung erbracht wird, die natürlich vergütet werden muss. Dabei soll dich dieser Blogpost heute unterstützen – alles geht los mit Aufmerksamkeit. Du hast jetzt eine Idee davon, was deine Reichweite für dein Gegenüber leistet und kannst dementsprechend besser für dich einstehen. Frage dich, welchen konkreten Wert deine Reichweite im individuellen Fall für dein Gegenüber schafft und wie du das in eine angemessene Honorierung übersetzen kannst. Und wenn du dir unsicher bist: Frage Kolleg*innen und/oder frage bei Berufsverbänden nach.
Vielleicht fragst du dich ja jetzt auch, was ist, wenn du noch keine tausend Follower*innen in den sozialen Netzwerken hast. Keine Sorge. Auch ohne Reichweite ist es heute noch möglich, in der Kreativwirtschaft als kreative Unternehmer*in erfolgreich zu sein. Die Reichweite bzw. der Influencer-Status sind nicht die einzige Währung, die etwas wert ist. Mit einem passgenauen und klaren Angebot kannst du dich auch ohne die sozialen Medien auf deinen Märkten etablieren.
Ohne Reichweite in den sozialen Medien wird es allerdings noch wichtiger, proaktiv auf genau die Kund*innen zuzugehen, die dein kreatives Angebot auch brauchen. Es wird also noch wichtiger, ganz genau zu wissen, wer von deinem Angebot profitiert und wie du diese Menschen erreichst – auch ohne Instagram, TikTok und Co. Eine suchmaschinen-optimierte (SEO) Portfolio-Website und dein regionales Netzwerk aus echten Menschen sind hier deine Freunde.
Kleine Randnotiz: Um hier mehr Klarheit zu bekommen, kannst du dir gern mein freies Workbook »Dein kreatives Angebot« runterladen, dass dir genau dabei hilft. Den Link dazu findest du in de Shownotes.
Deshalb habe ich Susann auch noch einmal gefragt, welche Plattformen sie heute für die Akquise in der Kreativwirtschaft empfehlen würde. Und das hat sie gesagt:
[Transkript: Gekürzte Version]
Ohhh ... also bei mir war es Instagram, aber ich weiß nicht, ob ich es heute noch empfehlen würde, weil es heute so schwer ist, gesehen zu werden. Ich hab von vielen gehört, dass sie über Behance gefunden wurden. Also Behance noch am ehesten, wenn man in der kreativen Ecke arbeiten will. Und immer noch Instagram. ... Und mit TikTok, da frag ich mich das gerade, ob man dort Aufträge generieren kann ...Bei TikTok kann ich mir das irgendwie nicht vorstellen ... ich bin ja eh aus der Verlagsbranche, was die verstaubteste Branche der Welt ist, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Lektor*innen auf TikTok abhängen. Das fällt mir wirklich schwer, mir das vorzustellen.
Haha, mir auch. Aber vielleicht junge Lektor*innen, die da privat so durchscrollen und dann denken: Oh, das sieht ja cool aus, das merke ich mir mal. Aber dafür würde ich mir dann wahrscheinlich nicht die Mühe machen. Denn man muss schon auch Spaß an der Plattform dran haben. Und das gilt für Instagram genauso. Wenn man Instagram oder TikTok nur als reines Akquisetool sieht – weil man es haben muss – dann weiß ich nicht, ob das so gut funktioniert. Weil ich glaube schon, dass es sinnvoll ist, auch diesen Nutzungsspaß zu haben. Mir hat das damals auf Instagram viel Spaß gemacht, selber zu kucken, zu kommentieren – also gar nicht mit diesem Fokus auf: Kuck dir mal meine Sachen an – sondern um in Austausch mit anderen zu kommen. Und dadurch hat sich das bei mir organisch angefühlt. So als wären da echte Menschen und man schmeißt es nicht nur so raus, wie bei TikTok, sondern man vernetzt sich. Wobei: Ich habe keine Erfahrungen zu TikTok, deshalb kann ich mir hier gar kein Urteil erlauben.
Das macht mir ganz schön Angst. Denn die Entwicklung verändert das Berufsbild und macht aus kreativen Unternehmer*innen Entertainer. Es geht dann zum Beispiel nicht mehr um die künstlerische Qualität, in Bildern weise und wunderschöne Geschichten zu erzählen, sondern um die Fähigkeit, zu unterhalten – und zwar ausschließlich in den sozialen Medien, in denen andere Gesetze gelten als zum Beispiel in Büchern. Und diese Fähigkeit ist dann entscheidend, wenn es um die Frage geht, wer Bücher machen darf und wer nicht.
Deshalb: Lass uns noch einmal einen Blick darauf werfen, was du tun kannst.
Baust du in deiner Positionierung auf Reichweite, ist es wichtig, nicht nur auf eine Plattform zu setzen. Denn eigentlich baust du deine Reichweite auf ausgeliehenem Boden, wenn du die sozialen Netzwerke nutzt. Ändert Instagram den Algorithmus oder YouTube die Bedingungen, kann deine Reichweite von einem Tag auf den anderen zerplatzen wie eine Seifenblase. Deshalb ist es sinnvoll, auf mehreren Beinen zu stehen und bestenfalls auch parallel Kanäle auszubauen, die dir gehören. Sammelst du deinen Content zum Beispiel auf deinem Blog auf deiner Website, kannst du deine Leser*innen auch dorthin leiten. Das macht dich unabhängiger von Plattformen. Auch ein Newsletter, ein Podcast oder ein eigener Shop sind Wege, dich unabhängiger zu machen.
Denn: Wer weiß, ob es Instagram in 5 Jahren noch gibt und wie es dann aussehen wird. Deshalb habe ich Susann auch noch einmal gefragt, ob sie glaubt, dass Instagram in 5 Jahren noch relevant ist?
[Transkript: Gekürzte Version]
Ich würde mich mal aus dem Fenster lehnen und sagen nein! Mal schauen! Durch ihr ewiges Plattform-Kopieren, wir wollen sein wie YouTube, wir wollen sein wie TikTok ... das ist so nervig. Da würde ich gern sagen: Jetzt macht doch einfach euer Ding!Wie gehst du mit dem Gedanken um, dass jetzt auf einmal alle zu TikTok überspringen könnten ... und dann hast du deine 70.000 Follower auf einer Platform, die keine Relevanz mehr hat?
Ja ... hmmm ... ich hab manchmal so Anfälle von: Ich lösche meine Account und fange ganz bei 0 wieder an. Weil meine Follower sind ja eigentlich alles tote Follower. Aber am Ende trau ich es mich dann doch nicht. ... Die Vorstellung, wieder bei 0 anzufangen, ist auf jeden Fall interessant. Es wäre spannend zu sehen, was das mit der Anzahl an Auftragsanfragen und so macht.
Danke, liebe Susann, dass du von deinen Erfahrungen berichtet hast und auch ehrlich teilst, was schwierig ist ... und was noch schwer einschätzbar ist. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Jetzt noch die letzte Frage: Geht es auch komplett ohne Social Media? Wenn ich könnte, würde ich aus den sozialen Medien aussteigen. Und eigentlich könnte ich ja. Und es gibt gute Gründe dafür. Ich weiß, dass Instagram mir nicht gut tut, weil ich viel zu viel wertvolle Lebenszeit dort verbringe und mich danach ausgelaugt und leer fühle. Trotzdem fällt es mir schwer, meine Instagram-Accounts zu deaktivieren. Die Angst, nicht mehr dazu zu gehören, ist größer.
Doch das Problem mit den sozialen Netzwerken geht noch viel weiter. Wenn du tiefer in das Thema einsteigen möchtest, möchte ich dir die Dokumentation »The social Dilemma« und das Buch »Ten arguments for deleting your social media accounts right now« von Jaron Lanier empfehlen.
So. Jetzt die Frage an dich: Was nimmst du heute für dich mit? Und was kannst du tun, um auch in Zukunft noch up-to-date zu sein? Und beängstigt dich das auch? Oder schaust du optimistisch in die Zukunft? Teile deine Erfahrungen gern unter dem Podcast, hier direkt unter dem Blogartikel oder auf Instagram.
Und damit wünsche ich dir alles Liebe.
Wir hören uns nächste Woche, bis dahin, Franziska
Darf ich dich heute um einen Gefallen bitten?
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Hast du noch mehr Portfolio-Fragen? Schreib mir gern, dann nehme ich diese gern in den kommenden Blogposts auf. Liebe Grüße, Franziska