Herzlich Willkommen zu dieser neuen Episode des Portfolio-Podcasts. Das ist heute Episode #59. Es fehlt also nur noch eine Folge, um die 60 voll zu machen. Als ich im Januar 2022 mit dem Podcasten begonnen habe, habe ich mich damals gefragt, wie zur Hölle das gehen soll, Woche für Woche ein für Kreative relevantes und spannendes Thema aus dem Zylinder zu ziehen.
Und ja, das ist gar nicht so einfach. Manchmal erreichen mich konkrete Fragen von Hörer*innen und wenn es gerade passt, dann schreibe ich auch gern Folgen als Unterstützung für die Kreativen, die gerade durch den Prozess der Portfolio-Akademie gehen. Und dann gibt es auch diese Wochen, in denen es um genau die Themen geht, die mich gerade selbst auf meinem eigenen Weg als Illustrator*in, Autor*in und Designer*in beschäftigen.
Diese Woche ist das mal wieder der Fall. Denn letzte Woche Freitag ist was passiert. Ich habe zwei richtig gute Emails bekommen. Zwei Nachrichten, die sozusagen eine zusammengeballte Belohnung waren – für viel Arbeit und mutige Schritte, die ich in den letzten Monaten gegangen bin. Das war toll und ich hab mich gefreut wie Bolle.
Und dann kam die Überraschung … oder … naja … so richtig neu ist es nicht … lange Rede, kurzer Sinn: Nach einem kurzen Moment der Freude kam mein Gehirn auf die Idee, dass es gerade jetzt eine ziemlich gute Idee sei, mich daran zu erinnern, dass ich mit meinem aktuellen Buchprojekt gerade gar nicht in die Puschen komme. Meine Gedanken haben sich sozusagen in mehrere Godzillas verwandelt und sind auf meinem Erfolgsmoment herumgetrampelt.
Ganz im Sinne von: Ist ja gut und schön, aber freu dich nur nicht zu viel. Denn jetzt komme ich und erinnere dich daran, dass du ja eigentlich gerade gar nichts gebacken bekommst und seit Monaten blockiert bist. Du, die jede Woche groß rum posaunt, wie wichtig es ist, Herzensprojekten Raum zu geben. Ui ui ui, wenn das die anderen wüssten …
Was war also passiert? Ich habe eine volle Ladung Imposter-Syndrom abbekommen. Und das hat ganz viel Scham ausgelöst – und mir meine zwei Erfolgsmomente einfach mal so richtig godzilla-mäßig kaputt gemacht. Und mich mit einem pelzigen Gefühl zurück gelassen.
Weil ich mir sicher bin, dass ich nicht die einzige Kreative auf der Welt bin, die sich ab und an mit Imposter-Gefühlen herumärgern muss, habe ich mich entschieden, das heute zum Thema zu machen und in der heutigen Podcast-Folge Strategien gegen das Imposter-Syndrom zu sammeln.
Heute geht es also um die Bremsen im Kopf, die wir selbst ab und an anziehen. Es geht um Mogelpackungsgefühle und um die Dinge, die wir uns sagen, damit wir stehen bleiben anstatt mutig weiter zu gehen.
Vielleicht kennst du diese Brems-Phänomene ja auch. Mir scheint es zumindest gefühlt so zu sein, dass das Imposter-Syndrom unter Kreativen besonders oft aufzutreten scheint. Vielleicht, weil der Wert unserer Arbeit als Qualität nicht messbar ist und gleichzeitig so viel von uns selbst in unserer Arbeit drin steckt.
Ich kenne zumindest mehrere Hände voll Kolleg*innen, die ganz tolle Sachen machen, aber wenn man sie nach ihren Erfolgen befragt, sie diese kleiner machen als sie sind, sie relativieren oder sich trotz dieser sichtbaren Erfolge nicht sonderlich erfolgreich fühlen.
Was hat es also auf sich mit dem Imposter-Syndrom und welche Strategien hast du zur Verfügung, damit diese schnell wieder gehen? Oder ist es vielleicht sogar möglich, sie komplett loszuwerden?
Lass uns mal mit den Basics beginnen: Der Begriff Imposter-Syndrom – auf Deutsch auch Hochstapler-Syndrom genannt – wurde erstmals 1978 in einem wissenschaftlichen Artikel von Pauline Clance und Suzanne Imes eingeführt. Der Artikel hieß »The Impostor Phenomenon in High Achieving Women«.
Der Begriff umschreibt dieses Gefühl, eine Mogelpackung zu sein, also weniger zu können, als man vorgibt zu können ... und schlimmstenfalls dabei auch noch gleich aufzufliegen und als Impostor erkannt zu werden. Menschen, die diese Gefühle erleben, können also ihre eigenen Erfolge nicht als eigene Leistung anerkennen und es gelingt ihnen nicht, diese nachhaltig in ihren Erfahrungshorizont zu integrieren. Und das erzeugt Angst und Stress.
Die Imposter-Keule schlägt typischerweise in Momenten des Erfolges zu und negiert somit diese Erfolgsmomente, die ja eigentlich eine stärkende Ressource sein könnten.
Interessanterweise erzeugt das Imposter-Syndrom oft zwei Folgereaktionen, die unterschiedlicher nicht sein können: Viele Menschen reagieren mit Perfektionismus und Überkompensation darauf – arbeiten also mehr, um ihre Gefühle von Unzulänglichkeit mit noch mehr Leistung auszugleichen. Aber genauso gut kann es passieren, dass durch die Imposter-Gefühle Prokrastination und Selbstsabotage getriggert werden. In dem Fall werden also Dinge aufgeschoben und es wird weniger gearbeitet. Ich kenne definitiv beide Varianten aus meinem eigenen Berufsalltag.
In den 80er und 90er Jahren nahm man an, dass sehr viel mehr Frauen vom Imposter-Syndrom betroffen sind als Männer. Heute ist allerdings klar, dass sich alle Geschlechter gleichermaßen damit herumärgern und dass die Mehrzahl aller Menschen zumindest einmal in ihrem Leben Bekanntschaft mit diesen sehr unangenehmen Gefühlen macht. Es ist also ein weit verbreitetes Phänomen und es ist nichts besonderes, ab und an mal eine kalte Dusche von Imposter-Gefühlen abzubekommen.
In meinen Recherchen habe ich herausgefunden, dass das Imposter-Syndrom wirklich vermehrt in bestimmten Berufsgruppen auftritt. So haben zum Beispiel Solo-Selbstständige vermehrt damit zu kämpfen und bei Menschen, die in kreativen Berufen arbeiten, gehören Imposter-Gefühle fast schon zum Berufsbild mit dazu. Es gibt Studien, die Menschen mit kreativen Berufen unter die Lupe genommen haben und in denen 97 Prozent der untersuchten Personen regelmäßig von Imposter-Gefühlen heimgesucht wurden. Das liegt vor allem daran, dass es ein normaler Teil der kreativen Tätigkeit ist, bewertet zu werden – und zwar nach ausschließlich subjektiven Standards. Die Qualität der kreative Arbeit ist nicht messbar und Kreative müssen sich konstant der subjektiven Bewertungen durch ihre Kund*innen aussetzen. Und das schafft eine Situation, in der Imposter-Gefühle getriggert werden.
Ok. Es ist also normal und wir alle haben sie. Das ist ja schon einmal ganz beruhigend. Aber wie wird man sie los?
Wie gesagt: Mir sind meine Imposter-Gefühle wohl bekannt. Früher hatte ich sie oft. Über die Jahre sind sie weniger oft aufgetreten. Trotzdem spürte ich am Freitag auch eine gewisse Ungeduld und Frustration, dass es mir schon wieder passiert ist. Ich beschäftigte mich schon seit vielen Jahren mit meiner mentalen Gesundheit und habe ich dieser Zeit viel über mich und meine Muster gelernt. Aber warum zur Hölle tauchen diese verdammten Imposter-Gefühle immer und immer wieder auf?
Deshalb habe ich mal geschaut, wer sich besonders gut mit dem Imposter-Syndrom auskennt. Eine der aktuell führenden Wissenschaftler*innen zum Thema Imposter-Syndrom ist die amerikanische Pädagogin Valerie Young. Anders als viele andere Forscher*innen verortet sie Imposter-Gefühle nicht als ein psychologisches Problem, sondern als ein recht normales Ereignis im gesellschaftlichen Zusammenleben. Bestimmte Faktoren wie Gruppen-Diversität und damit verbundene Stereotypen triggern schneller Imposter-Gefühle. Wenn wir also etwas anders sind als die anderen Menschen in der Gruppe, fühlen wir uns schneller wie eine Mogelpackung.
Sie schlägt vor, Imposter-Momente zu normalisieren und lädt ein, in solchen Momenten sich nicht mit den Gefühlen zu identifizieren, sondern den Kontext zu betrachten – und sich zu erlauben, dass es Situationen gibt, in denen es total normal ist, einen Imposter-Moment zu haben. Sie sagt auch: Der einzige Weg, sich nicht mehr wie ein Hochstapler zu fühlen, ist, nicht mehr wie ein Hochstapler zu denken. Und sie lädt deshalb alle ein, Selbstzweifel und Angst als einen normalen Teil des Weges zu betrachten – und trotzdem weiterzugehen. Ich verlinke dir mal ihren Ted-Talk im Blogartikel zur Podcast-Folge.
Gleichzeitig schlägt sie auch vor, zu überprüfen, was das Imposter-Syndrom eigentlich erreichen will und wovor es uns beschützen möchte. Denn häufig ist es ja so, dass unsere Gedanken, so absurd und wenig hilfreich sie im Moment vielleicht sind, trotzdem eine Funktion haben – und eigentlich nur das beste für uns wollen. Wie ist das denn bei dir? Weißt du, welche Situationen Imposter-Gefühle bei dir triggern?
Mir ist aufgefallen, dass mein Imposter-Syndrom gern auf die Bühne tritt, wenn ich neue Wege einschlage – mich also anders als gewohnt verhalte oder Sachen anders angehe als meine Peers. Mein Imposter-Syndrom ist also ein regelrechter Lackmus-Test bzw. ein Indikator für Veränderung und Wachstum. Das zu erkennen hilft, die unangenehmen Gefühle zu reframen und von einer anderen Perspektive aus zu betrachten.
Und deshalb hier mal gleich die erste Strategie, die hilft, aus dem kalten Imposter-Sumpfloch wieder rauszukommen.
Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist das effektivste Mittel gegen das Imposter-Syndrom, es als solches zu erkennen. Und wie geht das? Indem du dir bewusst machst, dass du nicht deine Gedanken bist und deine Gedanken nicht automatisch die Wahrheit erzählen. Wenn du deine Gedanken bewusst veränderst, dann verändern sich auch Schritt für Schritt deine Gefühle.
Valerie Young empfiehlt, kurz auf den Pause-Knopf zu drücken und einen Schritt zurückzutreten. Gern auch wirklich und im echten Leben. Das schafft emotionalen Abstand und macht es leichter, sich nicht mit dem Gefühl zu identifizieren, sondern den Kontext zu betrachten.
Um die eigenen Gedanken zu verändern, hilft es, sich zu fragen, wie sich eine Person verhalten würde, die keine Imposter-Gefühle in der aktuellen Situation hätte. Und sich dann genau so zu verhalten. Damit übst du andere Gedanken und mit der Zeit werden sich auch deine Gefühle verändern. Die Methode kann man gut als »So tun als ob« bezeichnen. Auch das allseits bekannte »Fake it till you make it.« ist vom Prinzip nichts anderes.
Frag dich also: »Was sagt mein Gehirn gerade?«
Deine Imposter-Gedanken sind Mechanismen, mit denen dein Gehirn versucht, dich zu beschützen. Es will eigentlich nur dein Bestes. Auch wenn sich das nicht so anfühlt. Damit sich das Ganze etwas weniger bedrohlich ist, hilft es mir, mir mein Imposter-Syndrom als eine im Grunde freundliche und von mir separate Figur vorzustellen.
Mein Imposter-Moment sieht ein bisschen so aus wie Schlemihl aus der Sesamstrasse. Grün, mit Schlapphut und Trenchcoat und mit einem großen M für Mogelpackung in der Manteltasche.
Das Visualisieren sorgt einerseits dafür, dass ich mich mit dem Gefühl nicht identifiziere – und gleichzeitig ist es definitiv nicht mehr so beängstigend.
Wie sieht denn dein Imposter-Moment aus?
Während des Imposter-Moments ist es nicht möglich, sich an die eigenen Erfolge zu erinnern. Deshalb hilft dir eine Liste mit deinen Erfolgen, die du in diesen Momenten aus der Schublade ziehen kannst, um dich selbst aufzufangen.
Denn dann stellt sich schnell heraus: Hey, ich hab ja doch in der Vergangenheit schon einige Dinge auf die Reihe bekommen. Was hast du denn schon auf die Reihe bekommen?
Imposter-Momente erzeugen Scham – und Scham geht weg, wenn sie ausgesprochen und sichtbar wird. Deshalb hilft es, wenn du dich mit anderen Kreativen über Imposter-Gefühle austauschst – denn dann wirst du merken, dass es anderen auch so geht wie dir.
Ich habe in 2021 die Portfolio-Akademie, also mein 12-wöchiges Onlineprogramm für Illustrator*innen und Designer*innen, gegründet, weil ich damit einen sicheren Ort kreieren wollte, in dem sichtbar wird, dass wir alle ähnliche Probleme, Zweifel und Sorgen haben – egal, wie viel wir schon erreicht haben oder eben nicht. Wir sind am Ende alle Schneeflocken: alle einzigartig, aber dann doch eben auch sehr ähnlich. Und wenn wir aufhören, uns zu vergleichen und beginnen, uns gegenseitig zu unterstützen, können wir alle stärker, mutiger und zufriedener werden.
Valerie Young sagt allerdings auch, dass das alleinige Darüber-Reden nicht nachhaltig hilft. Denn beim Darüberreden ist es leicht, in das wohlbekannte Hasenloch zu fallen und sich mit den Gefühlen zu identifizieren.
Viel hilfreicher ist es, über die Dinge hinter dem Imposter-Gefühl zu sprechen: über die immensen und unerreichbaren Ansprüche, die so viele von uns an sich selbst stellen und darüber, wie ungesund und gefährlich Perfektionismus ist. Wenn wir es uns erlauben, nicht in allem gut zu sein und Fehler zu machen, dann haben Imposter-Gefühle weniger Kraft.
Allerdings werden sie nicht komplett weggehen. Denn es gibt keine Imposter-Heilung. Wir werden nur mit der Zeit besser darin, schneller aus dem Hasenloch wieder herauszuklettern.
Mir fällt es schwer, hier im Podcast öffentlich auszusprechen, dass ich gerade Probleme habe, mein eigenes Buchprojekt in die Welt zu bringen. Denn ich rede hier ja jede Woche über Herzensprojekte und wie wichtig es ist, diesen Raum zu geben. Die Tatsache, dass ich selbst auch daran immer mal wieder scheitere, ist schwer auszuhalten.
Aktuell ist es schwer für mich, mir die Zeit für mein Buchprojekt zu nehmen. Und ich habe Probleme, die Geschichte weiterzuentwickeln, weil ich noch nie so eine komplexe Geschichte erzählt habe. Das Büchermachen macht gerade keinen Spaß, ist doof und anstrengend und all das nagt an mir. Aber ich laufe weiter, weil es mir wichtig ist – und weil ich auch weiß, dass es zum Prozess dazu gehört. Es ist ok, hinzufallen und es ist auch ok, mal kurz am Boden liegen zu bleiben und wütend mit den Armen und Beinen zu strampeln. All das ist ok, wenn ich danach auch wieder aufstehe und weiter gehe – so lang, bis das Tal der Tränen durchschritten ist.
Und ich hoffe, dass du, solltest du dich auch gerade in einem Tal der Tränen befinden, dass du dich dadurch ein bisschen weniger allein fühlst. Ich merke, dass es für mich schon jetzt sehr viel leichter ist, einfach nur, weil ich es hier mal laut aussprechen konnte. Die Blockade wird ja durch die Scham, die das Imposter-Syndrom auslöst, nur angefeuert. Darf die Unzulänglichkeit und das temporäre Scheitern sein, kommt alles wieder in Bewegung. Hoffentlich. 😉
Deshalb jetzt mal die Frage an dich: Kennst du dieses Mogelpackungsgefühl des Imposter-Syndroms? In welchen Momenten überfällt es dich? Und wie findest du deinen Weg raus aus dem Gefühl? Teile deine Erkenntnisse und Erfahrungen zu Imposter-Momenten und Mogelpackungsangst gern unter dem Podcast, hier direkt unter dem Blogartikel oder auf Instagram.
Und damit wünsche ich dir alles Liebe.
Wir hören uns wieder nächste Woche, bis dahin, Franziska
Darf ich dich heute um einen Gefallen bitten?
Für den Verkauf von Büchern sind gute Bewertungen enorm wichtig. Wenn du mein Buch »Die gute Mappe« schon gelesen hast und es dir gefällt, hilfst du mir sehr mit einer Rezension auf Amazon und Co. Du kannst sogar eine Bewertung hinterlassen, wenn du das Buch in einem anderen Buchladen gekauft hast (was ich begrüße). Sharing is caring! Danke dafür! Und auch ein ❤️ und ein Danke an die, die schon eine Rezension geschrieben haben.
Hast du noch mehr Portfolio-Fragen? Schreib mir gern, dann nehme ich diese gern in den kommenden Blogposts auf. Liebe Grüße, Franziska