6. Juli 2023

#72 | Wie positionierst du dich international? *mit Daniel Stolle

Ein Interview mit dem deutsch-finnischen Illustrator Daniel Stolle über internationale Akquise, Repräsentanzen und Netzwerke

 

 
Hej hej, herzlich Willkommen zu dieser neuen Episode des Portfolio-Podcasts. Heute ist der großartige Illustrator Daniel Stolle im Podcast zu Gast. Weil Daniel im Bereich Editorial für eine beeindruckende Liste von internationalen Magazinen und Unternehmen arbeitet, sprechen wir heute darüber, was Kreative machen sollten, wenn sie sich international positionieren wollen.

Wir sprechen über Akquise über Ländergrenzen hinaus, über Repräsentanzen und Agent*innen, über internationale und lokale Netzwerke und über die eigene kreative Stimme. Und zum Schluss auch noch über KI und wie Daniel mit diesem technischen Paradigmenwechsel umgeht. Es ist also ein mit Wissen vollgepacktes Gespräch und ich freu mich, dass du dich entschieden hast, Daniel und mir zuzuhören.

Bevor es losgeht, möchte ich dir Daniel sehr gern noch vorstellen. Daniel Stolle ist einer dieser Illustrator*innen, die ganz bescheiden daher kommen, aber wirklich tolle und beeindruckende Sachen machen. Seine Arbeiten im Bereich Editorial wurden zahlreich auf internationaler Ebene ausgezeichnet und wie gesagt, er hat eine lange Liste von beeindruckenden Kund*innen. Schau gern mal auf seiner Website vorbei. Den Link findest du in den Shownotes.

Daniel kommt ursprünglich aus Deutschland, ist aber vor vielen Jahren nach Finnland ausgewandert. Er war der erste Illustrator, den ich hier in Finnland kennengelernt habe. Meine ersten zwei Jahre in Finnland habe ich ja in der Künstlerresidenz Arteles gelebt und Daniel wohnte nur einen Steinwurf davon entfernt in der nächsten kleinen Stadt. Und nachdem raus kam, dass wir sozusagen Nachbarn sind, hat Daniel sich bei mir gemeldet und mich mit ganz viel Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft dabei unterstützt, meine Einwanderung nach Finnland in die Realität umzusetzen. Daniel, falls du zuhörst: Dafür möchte ich dir mal danke sagen!! Du bist großartig!

Mit der gleichen Großzügigkeit teilt Daniel auch seine Erfahrungen im heutigen Interview. Deshalb: lass uns loslegen, viel Spaß beim Zuhören und let’s go!

[Transkript des Interviews]
Daniel Stolles Website: www.danielstolle.com
Bekomme einen Einblick in Daniels Workflow: zu den Einblicken
Daniels Instagram: @daniel_stolle

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Franziska
Hallo. Hallo. Herzlich willkommen, Daniel. Wie schön, dass du im Portfolio-Podcast zu Gast bist. Ich freue mich total, dass du hier bist.

Daniel
Hallo.

Franziska
Daniel, du hast eine beeindruckende Liste von Kund*innen. Du hast zum Beispiel für Apple gearbeitet. Für Google, für die FAZ, für den Spiegel, für die New York Times, Guardian, GQ, Harvard Business Review. Und du hast, ich habe auf deiner Seite nachgelesen, über 1.000 Illustrationsprojekte in den über 15 Jahren Selbstständigkeit gemacht. Das ist total beeindruckend. Wie hast du das denn geschafft?

Wie hast du dich so international aufgestellt?

Daniel
Es hat eigentlich alles ganz langsam angefangen mit einem ersten Kunden. Wenn man einmal was veröffentlicht hat, dann ist das praktisch wie so ein Schneeballsystem. Dass es dann andere Leute auch sehen. Artdirektoren lesen auch andere Veröffentlichungen. Und so kam dann über einen längeren Zeitraum eigentlich alles von einem zum anderen.

Franziska
Wann hast du dich selbstständig gemacht?

Daniel
Also ich kann dir die ganze Geschichte erzählen … soll ich dir die ganze Geschichte erzählen?

Franziska
Ja, warum nicht?

Daniel
Also ich habe eigentlich Produktdesign studiert, aber mir war schon im Studium klar, dass ich dieses eigentliche Produktdesign nicht unbedingt machen möchte. Und das kam dann noch damit zusammen, dass ich dann nach dem Studium nach Finnland gezogen bin. Und ich hatte vorher schon so die Illustrationen für mich entdeckt. Nicht zuletzt, weil das eben auch was ist, was man alleine machen kann.

Und als ich dann eben hier in Finnland alleine war, ohne Ressourcen, war das das, was mich interessiert hat und womit ich einfach angefangen habe … Ich habe mich einfach entschieden. Ich bin Illustrator und hab Zeichnung für mich selber gemacht und habe die auf eine Webseite gestellt. Damals gab es einen Blog, also eine Webseite – www.drawn.ca – die gibt es leider nicht mehr. Das war damals in dem Comic- und Illustrationsbereich so eine sehr viel gelesene Webseite.

Und damals habe ich da hingeschrieben: Hey, ich bin Daniel und ich mache so Zeichnungen, also die, die ich alle nur für mich selber gemacht hatte. Und dann hat damals John Martz, der immer noch aktiv im Comic Bereich ist, einen kurzen Artikel über mich geschrieben und dann eine Woche später hatte ich einen ersten Auftrag.

Und so ging das eigentlich los. Währenddessen habe ich aber immer noch hier in Finnland Zeitungen ausgetragen. Also ich hatte dann sozusagen auf zwei Level für die Zeitung gearbeitet, Zeitungen ausgetragen und ich habe Illustrationen für Zeitungen gemacht. Und dann hat das noch so zwei Jahre gedauert, weitere Kund*innen kamen nach und nach und nach zwei, drei Jahren konnte ich dann davon leben. Das ist die Geschichte in Kurzfassung, obwohl es nicht mal so kurz ist.

Franziska
Ich kann mich noch erinnern, als ich dich entdeckt habe, da habe ich ja in Arteles, also in der Künstler-Residenz gelebt. Und ich weiß noch, meine zwei finnischen Kolleg*innen kamen so in den Raum rein und sagten: Du, hier in der lokalen Zeitung ist ein Artikel über einen deutschen Illustrator, der in Hämeenkyrö wohnt. Und das bist nicht du.

Und ich weiß noch, ich bin damals auf dein Profil gegangen, auf den Instagram Profil und war total beeindruckt, wie gut du international aufgestellt bist. Und ich mag deine Arbeiten auch total gern. Gleichzeitig habe ich mich aber auch gefragt: Wie funktioniert das? Wie kann jemand im finnischen Wald wohnen und für so krass internationale Magazine arbeiten?

Daniel
Also meine Karriere ist eigentlich mit diesem Weggehen aus Deutschland verbunden. Also ich habe mich praktisch nie so richtig gefühlt wie: Nur Deutschland ist mein Markt oder nur Finnland ist mein Markt – auf keinen Fall, weil ich da überhaupt keine Beziehung habe. Und ich habe mich eigentlich von Anfang an so als … ja … als als international gesehen. Also mir war das klar: Ich muss eine Webseite haben und die muss auf Englisch sein. Und ja, ich habe mich von Anfang an selber als international gesehen … obwohl das vielleicht jetzt ein bisschen großartiger klingt, als ich es selber gedacht habe.

Irgendwer ist da in der Welt draußen, der braucht genau das, was ich mache. Und ich muss praktisch nur diese Leute finden. Und desto einfacher ich das zugänglich mache, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass mich da jemand findet. Und das bedeutet englisch-sprachige Website und Internet und so.

Franziska
Na ja, es macht total Sinn. Ich glaube, dass das Mindset, also das, wie man auf die eigene Arbeit drauf schaut und wie man sich selbst sieht, einfach total viel ausmacht und mitentscheidet, wie man von außen wahrgenommen wird. Und so wie du es beschreibst, finde ich, ist es total nachvollziehbar, warum das so funktioniert hat.

Daniel
Also ich denke auch immer, dass jeder, der versucht zu illustrieren, hat so eine eigene Stimme oder sucht eine eigene Stimme. Manchmal arbeitet man auch gegen etwas oder versucht zu sehr irgendwie was zu mit der Brechstange zu finden. Aber eigentlich hat jeder schon so eine Stimme – wie wir alle eine eigene Stimme haben, die wir mehr oder weniger mögen.

Und ich finde, wenn man das jetzt in die Illustrationen überträgt, bedeutet das, dass es auch irgendwo für all diese Stimmen Platz gibt. Also was in letzter Zeit glücklicherweise immer wichtiger geworden ist, ist alles, was mit Diversität zu tun hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig, dass möglichst viele Stimmen zum Ausdruck kommen und ich denke, das kann man auch so als Motivation sehen.

Also du machst was, was schon so eine intrinsische Wertigkeit hat, weil deine Stimme irgendwo auch gebraucht wird.

Franziska
Das ist ein schöner Blick darauf und da stimme ich dir zu. Ich glaube auch, dass einfach jede Stimme Wert hat. Aber wenn ich beobachte, wie es anderen Kreativen geht, gerade Berufseinsteiger innen, ist es, glaube ich, das, wo viele Angst haben sich den Raum zu nehmen, weil sie irgendwie glauben, dass es von außen jemanden geben muss, der sagt: Deine Stimme ist was wert.

Aber ist es total wichtig, sich den Raum selbst zu nehmen und zu sagen: Ja, ich habe was zu sagen?

Daniel
Hmmm, ja, und das geht vielleicht auch in diesem Bereich mit Stil und Positionierung hinein, wo man sich natürlich Gedanken machen kann und sollte. Aber andererseits hat es auch was damit zu tun, das, was man schon ist, zu akzeptieren. Ja. Beziehungsweise diese Fähigkeiten entwickeln sich auch nach einer Weile. Also man kann über über einen längeren Zeitraum dann auch besser kontrollieren. Aber man darf auf jeden Fall jetzt schon anfangen und loslegen. Und das hat schon einen Wert.

Franziska
Schön, total schön. Da stimme ich dir zu, das möchte ich zweimal unterstreichen.

Daniel
Also ich weiß zum Beispiel noch, am Anfang habe ich dann plötzlich Wirtschaftsthemen bekommen als Aufträge und die hatten dann teilweise auch so richtig konkrete Motiv-Vorstellungen, was heute relativ selten vorkommt in meiner Praxis. Und dann dachte ich so, jetzt muss ich ein Pferd zeichnen oder jetzt muss ich eine Waschmaschine zeichnen, wie zeichne ich eine Waschmaschine?

Damals habe ich ja für mich nur Sachen gezeichnet, die ich selber interessant fand und da waren keine Waschmaschinen bis dato dabei. Und jetzt plötzlich soll eine Waschmaschine von mir abgedruckt werden. Und jetzt? Aber gleichzeitig – klar … kriegst du hin, musst du noch nie gemacht haben, aber du darfst das. Du hast jetzt diesen Auftrag.

Franziska
Ja, man wächst an seinen Aufgaben, auch beim Zeichnen. Wie machst du denn Akquise? Also, du hast vorhin gesagt, du hast deine ersten Aufträge bekommen über diese Webseite, die ich damals auch gelesen habe. Es gibt ja gar nicht mehr so viele Blogs über Illustrationen oder Webseiten, die über Illustration berichten. Wie machst du heute Akquise?

Daniel
Also ehrlich gesagt mache ich relativ wenig. Ich aktualisiere immer konstant meine Webseite und da ist meine Herangehensweise so, dass ich möchte, dass die so aussieht, als wäre jemand zu Hause. Es kommt wahrscheinlich oft im Durchschnitt ein News-Post pro Monat. Manchmal ist es mehr, manchmal ist es weniger. Das reicht mir, damit der Eindruck entsteht, dass da jemand dahinter steht, der erreichbar ist.

Das kann man natürlich immer aus der anderen Richtung denken. Wie wäre das jetzt, wenn ich Auftraggeber bin? Wie würde ich mir das vorstellen? Und da würde mich persönlich das abschrecken, wenn da jemand vor drei, vier Jahren das letzte Mal irgendwie aktiv gewesen ist. Und sonst? Ja, also es ist diese glückliche Position, dass es irgendwie jetzt da draußen vielleicht 150 Art Direktoren gibt, mit denen ich in den letzten zehn Jahren gearbeitet habe.

Und davon sind noch 50 irgendwie aktiv und von einigen höre ich mal zwei Jahre nichts. Und dann sind sie bei einem nächsten Magazin, und so ist eigentlich konstant Arbeit da. Zwischendurch hatte ich auch mal Jobs, wo ich für jede Ausgabe eines Magazins was gemacht habe, was dann erst mal auch so eine Art Grundeinkommen ist.

Franziska
Das heißt aber … das, was ich gehört habe ist, dein Netzwerk ist super wichtig. Meinst du das?

Daniel
Ja, obwohl Netzwerk klingt so, als wäre das sehr aktiv. Also ich schreib denen jetzt auch keine Newsletters oder irgendwie so was.

Franziska
Ja, aber das was du beschreibst, ist gut übertragbar auf andere Sachen. Es gibt halt einfach eine bestimmte Anzahl von Aufträgen, die einen ein Person, die Aufträge vergeben kann, vergibt. Und das unterscheidet sich je nach Markt und dann sucht die Person halt einfach nach Leuten, die sie kennt und denen sie diese Aufträge gibt.

Daniel
Ja, also da denke ich, das auch wieder aus der Art-Direktor*innen-Sicht: wenn ich eine Sache zusage, dann ist das Wichtigste, dass ich verfügbar bin und dass ich die Email beantworte und dass ich auch da praktisch erreichbar und zu Hause bin – das gehört zu dem Service dazu.

Also es kann nicht passieren, dass ich mich nicht mehr melde oder so und das erzeugt diese Sicherheit, die ich in dem Job geben will, damit der AD das nächste Mal, wenn es vielleicht ein schneller Job ist, dass er oder sie dann denkt: Ja, da habe ich jemanden, auf dem ich mich verlassen kann.

Franziska
Vertrauen!! Genau. So ist eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung. Ja, ja, das ist so der unsichtbare Teil von der Akquise, der super, super wichtig. Was sind denn so die Hürden, wenn du mit internationalen Kund*innen zusammenarbeitest? Also gibt es da andere Hürden? Du arbeitest ja auch mit deutschen Magazinen zusammen. Gibt es da irgendwie Dinge, die anders sind?

Daniel
Hmmm, also generell, egal ob deutsch oder … ich arbeite viel mit deutschen, schweizerischen, englischen und amerikanischen Kund*innen zusammen … und generell gilt für alle, was relativ typisch in diesen Freiberufler*innen-Bereich ist. Du bist eine Person und du arbeitest mit oder gegen einen Apparat. Also du machst die Skizzen und du machst die fertige Zeichnung und du schreibst dann am Ende die Rechnung und du schreibst dann am Ende die Mahnung … und ja, musst dich in das System einloggen und so weiter und so fort.

Und ja, man ist eine Person gegen den Apparat, was manchmal eben sehr frustrierend ist, weil die Einflussmöglichkeiten, die man als Einzelperson da hat, die sind relativ gering. Also das geht mit den Zahlungsfristen los, mit den Verträgen, da kann man verhandeln oder kann nicht verhandeln oder dann ist jemand anderes, der irgendwie aus der Rechnungsabteilung ist, der, der dann plötzlich nicht mehr antwortet oder dann vergisst, deine Rechnung weiterzuleiten und so. Das sind diese frustrierenden Sachen, die zu diesem Job eben dazugehören.

Was bei amerikanischen Kund*innen immer noch relativ üblich ist, sind die sehr, sehr engen und weitreichenden, weit umfassenden Verträge, die glücklicherweise jetzt in Deutschland so – zumindest nach meiner Auffassung – nicht mehr ganz so so üblich sind bzw entschärft worden. Da kriegt man manchmal noch Sachen, wo man denkt: Oh wow, das soll ich jetzt unterschreiben? Okay.

Franziska
Also du hast es ja vorhin selbst gesagt: Du verstehst dich ja als internationaler Illustrator, sozusagen als Grenzgänger zwischen den verschiedenen Grenzen.

Daniel
Hmm.

Franziska
Also ich habe grad, als ich mir selbst zugehört habe, als ich dir die Frage gestellt habe, da ist mir bewusst geworden, dass ich, glaube ich, eine andere Perspektive auf internationale Märkte habe, als du, weil es für dich als deutscher Illustrator, der in Finnland lebt und für diverse Kund*innen in diversen Ländern arbeitet, wahrscheinlich sehr viel normaler ist als für mich zum Beispiel, die zwar auch in Finnland lebt, aber ich arbeite da ausschließlich für deutschsprachige Kund*innen.

Und auch hier ist es wahrscheinlich ja so, dass die Perspektive auf die eigene Arbeit und das eigene Angebot auch einiges verändert. Auch das Selbstbild, das man hat.

Daniel
Das ist jetzt zum Beispiel sehr speziell, aber wenn wir jetzt von Finnland sprechen. Hier gibt es auch diese wenigen größeren Verlage, denen relativ viele Magazine und Zeitungen gehören. Und die haben auch noch diese schlimmen Verträge. So, und wenn ich mich jetzt nur auf Finnland verlassen müsste, dann sähe es schlecht aus. Denn den Vertrag, den Helsingin Sanomat hat, den unterschreibe ich nicht.

Das Beispiel ist sehr speziell, aber mit Kund*innen in verschiedenen Ländern kann man das ausbalancieren. Ich habe einiges gemacht für einige finnische Zeitungen, aber das würde bei weitem nicht ausreichen, um jetzt nur davon zu leben.

Franziska
Ja, ich finde es total sinnvoll, darüber nachzudenken als illustrierende Person, wo ich vielleicht auch andere Marktbedingungen finde. Im Magazin-Bereich im englischsprachigen Bereich gibt es einfach echt viele tolle Magazine, die auch viel mit Illustration anbieten. Und als Buchillustratorin bringt der englischsprachige Markt da automatisch eine gewisse Attraktivität mit sich, weil da einfach die Auflagenhöhen so viel höher sind. Ich finde es auch sehr selbstbestimmt, darüber nachzudenken, wo ich vielleicht andere Bedingungen finde, die für mich besser sind.

Daniel
Hm, wenn ich jetzt zum Beispiel überlegen würde, was würde ich wirklich gerne machen, was wäre dieser Traumjob? Und das wäre das Illustrieren eines Klassikers. Es ist ja recht naheliegend zu denken: Okay, ich möchte gerne ein Klassiker illustrieren. Es ist sehr naheliegend zu denken, dann gehe ich eben nicht nur zu Suhrkamp, sondern auch zu Penguin. Denn im Notfall kann ich das Buch ja auch in der deutschen Übersetzung lesen, wenn es ein Klassiker ist, nur mal als Beispiel.

Oder ich möchte ein Album illustrieren von einer Band. Na dann, klar, dann schreibe ich eben auch nach Kanada und nach England und eben nicht nur nach Deutschland.

Franziska
Es wird ja oft empfohlen, im englischsprachigen Raum mit einer Repräsentanz zusammenzuarbeiten oder eine Agentin oder einen Agenten zu haben. Wie sind denn da so deine Erfahrungen?

Daniel
Also ich hatte für mich ungefähr fünf Jahre eine Agentur. Ich habe viel gelesen, dass, wenn man bei einer Agentur ist, dass das nicht automatisch bedeutet, dass man viele Aufträge bekommt. Das kann ich so bestätigen, obwohl da schon einige neue Kund*innen drüber gekommen sind. Allerdings war es dann für mich im Endeffekt nicht wirtschaftlich sinnvoll. Die Kommission, die die Agentur nimmt, sehe ich oftmals nicht als gerechtfertigt an, für die Dienstleistung, die dann erbracht wird.

Der bürokratische Aufwand bei amerikanischen Kund*innen zum Beispiel ist aus meiner Sicht recht gering und das, was die Agentur da übernimmt, das hat für mich diese Kommission einfach nicht mehr gerechtfertigt. Der Papierkrieg ist nicht die Kommission wert, die da für eine Agentur weggeht. Auch würde ich empfehlen, wenn man mit einer Agentur zusammenarbeitet, dass man zum Beispiel einen Vertrag machen kann, in dem alle Bestandskunden für die Kommission ausgeschlossen werden.

Oder man klammert bestimmte Länder aus. Also sagen wir mal, du nimmst eine englische Agenturen, sagst aber, alle Kund*innen aus Deutschland gehen über mich direkt. Da komme ich mit dem Papierkrieg klar. Da kenne ich mich aus. Und ich denke mal, jede Agentur, die wirklich das Geschäft ernst nimmt und die dir Kunden vermittelt, warum sollen die damit ein Problem haben?

Wenn die Agentur neue Aufträge für dich generieren kann, dann ist ja die Kommission gerechtfertigt.

Ich kenne das aber auch von Bekannten, die einfach so einen generellen Agentur-Vertrag unterschrieben haben und dann mussten die dann plötzlich die Prozente auf ihre Bestands-Aufträge abgeben und das natürlich in extrem schlechter Deal für den Illustrator bzw. für die Illustratorin.

Franziska
Ja, das ist aber erstaunlicherweise total oft Standard, wenn man nicht aufpasst und es nicht herausstreicht.

Daniel
Ja, in der Situation würde ich auf jeden Fall empfehlen, da zu versuchen nach zu verhandeln. Also bei mir war es dann effektiv auch so, zuerst hatte ich die deutschen Kund*innen ausgeklammert und dann hatte ich auch noch die finnischen Kund*innen ausgeklammert und dann die Schweizer Kund*innen. Ich war da relativ erfolgreich im Nachverhandeln.

Franziska
Gut zu wissen, dass man das auch nachverhandeln kann. Du hast es ja gerade schon gesagt, Aber noch mal, um das noch mal in den Fokus zu rücken. Ich glaube, dass viele Kreative ja dringend eine Agentur haben wollen, um einerseits natürlich den bürokratischen Aufwand nicht zu haben, aber vor allen Dingen einfach, um nicht Akquise machen zu müssen.

Und du hast ja vorhin gesagt, dass das bei dir sich nicht so dargestellt hat, also dass da gar nicht so unglaublich viele Aufträge bei rum kamen. Habe ich das richtig verstanden?

Daniel
Ja, würde ich so zusammenfassen. Es kamen schon Aufträge, die ich, die ich vielleicht sonst nicht bekommen hätte, aber das waren viele kleinere Sachen, aber jetzt nicht signifikant viele. Also nicht, dass es das so gerechtfertigt hätte. Ich kann natürlich jetzt auch nicht für alle Agenturen sprechen. Bin mir sicher, es gibt Agenturen, wo das anders ist. Es gibt sicher positive Effekte, wenn man in dieser Liste auf der Webseite dabei ist.

Eine Agentur gibt auch Kund*innen eine gewisse Sicherheit. Sie sehen: Okay, hier arbeite ich nicht mit dieser Einzelperson zusammen, sondern hier steht noch eine Firma dazwischen, die im Zweifelsfall auch ja bürgt. Es gibt sicher diese positiven Effekte. Vielleicht gibt es da auch Unterschiede, weil meine Hauptziel ist ja die Editorial-Illustration, wo es um relativ kleine Beträge geht.

Aber wenn man jetzt mit einem größeren Werbebudget für eine größere Kampagne kommen würde, in dem Bereich, bin ich mir sicher, ist es einer großen Firma auch lieber, dann mit einer Agentur zusammenzuarbeiten?

Franziska
Ehrlich gesagt, ich habe noch nie darüber nachgedacht, warum das so ist. Aber nachdem, was du jetzt gerade gesagt hast, ist das einfach so nachvollziehbar. Ja, große Werbeagenturen arbeiten oft nur mit Repräsentanzen zusammen und das liegt bestimmt am Budget und an der Haftung, die die Agentur übernimmt.

Daniel
Ja, aber ich könnte mir auch vorstellen … also ich kenn mich jetzt aus mit den Preisen im Editorial. Ich mache fast keine Werbe-Jobs oder nur sehr selten … aber wenn da jetzt aber ein größerer Job kommen würde, dann gibt es natürlich immer noch die Option, dass man sagen würde: Hey Agentur, hier ist jetzt eine Kampagne, die soll in Europa laufen und ich weiß nicht, ist das jetzt ein 50.000 € Job oder ein 80.000 € Job? Oder ein 5.000 € Job?
Dann kann man immer noch zu einer Agentur gehen und sagen: Hey, würdet ihr diesen Job mit mir machen? Und kann man das nachträglich verhandeln? Und dann weiß man sicher, dass man nicht allzu viel oder allzu sehr verloren hat, obwohl man diese Kommission dann an die Agentur bezahlen muss.

Franziska
Ja, was ich total schön finde in der Perspektive ist, dass das auf einmal so auf Augenhöhe stattfindet. Wie du es beschrieben hast, so sollte es sein, weil: Es sind zwei Geschäftspartner*innen, die sich auf Augenhöhe treffen und die einen übernehmen die Dienstleistung, die die andere Person vielleicht gerade nicht tragen möchte: in dem Fall die Haftung – und bekommen dafür eine Kommission.

Das finde ich total gesund und schön. Ganz oft passiert es, habe ich das Gefühl, dass das so kippt. Das liegt aber, glaube ich, am Selbstbild. Wenn man zur Agentur oder zur Repräsentanz hingeht und davon ausgeht, dass die dafür sorgt, dass ich jetzt Aufträge bekomme, begebe ich mich automatisch nicht auf Augenhöhe. Ich begebe mich in so eine komische Abhängigkeit und ich finde deine Perspektive so viel schöner.

Daniel
Ja, also man kann sich ja auch selber in die Perspektive der Art Direktoren und Lektorinnen versetzen. Wir gründen jetzt eine Illustrationsagentur. Wen möchte ich dabei haben? Wie viele möchte ich da haben? Wenn da 50 Leute in dieser Liste stehen, kann man davon ausgehen, dass da relativ wenig individuelle Betreuung oder Akquise da ist.

Vielleicht tue ich vielen Agenten unrecht, aber sie kuratieren schon ihr Roaster, so dass da das Angebot zu ihren Vorstellungen passt. Aber ich glaub nicht, dass da wirklich viel aktiv an Betreuung stattfindet. Ich glaube, das ist in den wenigsten Fällen so. Es gibt sicher Meetings und Treffen oder man ist auf irgendwelchen Messen, in welcher Form die überhaupt noch stattfinden, wo man das ganze Roaster mit anbieten kann und es dadurch Mitnahme-Effekte gibt.

Aber sich da jetzt eine sehr persönliche Betreuung vorzustellen, ist zu optimistisch. Nach meiner Ansicht.

Franziska
Ja, was sind denn so die Top 3- oder Top 2-Tipps, die du Menschen geben würdest, die jetzt irgendwie Lust darauf haben, sich international im Bereich Editorial aufzustellen und die gerade anfangen damit? Was würdest du denen für Tipps mitgeben?

Daniel
Hmmm, also ich würde vom Wunsch her denken: Was ist der Job, den du machen möchtest? Und dann wäre Schritt 2 wirklich gezielt zu versuchen, diesen Job zu bekommen. Das machst du, indem du gezielt die Leute herausfindest, die in der Position sind, dir diesen Job zu geben. Die gezielt anzusprechen und dann auch dein Angebot darauf auszurichten. Das wäre der erste Tipp.

Was wir schon vorhin hatten, ist dieser Stimme zu vertrauen. Du weißt, dass du diese Stimme hast und entweder du arbeitest gegen diese Stimme, was legitim sein kann, oder du arbeitest irgendwie mit dieser Stimme oder mal so, mal so. Aber zu akzeptieren, dass die Stimme nicht weg geht, ist wichtig. So, das ist das, was du machst. Aber deine Stimme ist etwas, was in einem gewissen Kontext gebraucht wird. Du musst nur diese Leute finden, die das brauchen.

Und das dritte? Ja. Ja, das dritte. Wir hatten uns auch schon vorher drüber unterhalten. Ich könnte jetzt einen Rant über Social Media einbringen. Aber meiner Meinung nach ist das Zeitverständnis, was wir uns vorgaukeln über Instagram oder andere Social Media Kanäle, nicht real. Also es gibt sicher Bereiche, wo es wichtig ist, täglich präsent und erreichbar zu sein, aber es ist nicht mal in diesem relativ schnellen Editorial-Geschäft so – meiner Meinung nach.

Das sind Zeitintervalle, denen wir uns eigentlich nicht unbedingt unterwerfen müssen. Denn ich verdiene kein Geld über Instagram. So, also mir folgen einige ADs und man bleibt im Hinterkopf, aber direkt verdiene ich kein Geld damit und deswegen sollte ich damit auch nicht unbedingt zu viel Aufwand betreiben. Ja, und deswegen ist es immer noch relativ Old School – aber eine Webseite, die erreichbar ist und wo es so aussieht, als sei jemand zu Hause, funktioniert nach wie vor für mich.

Und ich denke mal, was mich vielleicht mittelfristig mehr interessieren würde, ist direkteren Kontakt oder längerfristigen Kontakt zu Leuten zu haben, was im Endeffekt viel mehr wert ist als diese digitalen Feedbacks, die relativ schwer umsetzbar sind in wirklich fassbare Resultate.

Franziska
Ja, der echte menschliche Kontakt, was meinst du denn: Wie willst du das machen? Also was sind sozusagen die Kanäle, mit denen du dann deine persönlichen Kontakte, Beziehungen noch intensivieren kannst?

Daniel
Na gut, das ist sehr persönlich, aber das bedeutet, verfügbar zu sein, lokal. Und vielleicht lässt sich das auch übertragen. Also ich muss nicht von mir tausende Fotos posten, aber ich bin verfügbar, lokal, in Echt.

Franziska
Ein realer Mensch.

Daniel
Ich komme um drei, wenn das abgemacht ist.

Und ich pflege auch Kontakt zu Leuten in Deutschland, mit denen ich Projekte mache, die mit Illustrationen nur im weiteren Sinne zu tun haben. Also wo ich auch so Sachen machen kann, die jetzt auch nicht unbedingt meine Kernkompetenz sind. Ich habe zum Beispiel vor Kurzem Kurse gegeben und animiere auch mal Sachen für Freunde. Diese Projekte sind trotzdem, obwohl es Freunde sind, kommerzielle Projekte, wo man sich aber erreichbar und verbindlich macht im Endeffekt.

Denn in diesen Jobs, die man für eine amerikanische Firma macht, also ich bin dann eine Emailadresse. Diese Emailadresse antwortet verlässlich, aber es ist was anderes als das, was wir hier gerade machen oder was wir da in Ostsachsen machen.

Franziska
Ja, ja. Was ich total schön finde ist, dass wenn mit dieser Perspektive auf Akquise schaut, sieht man, dass es da auch um einfach menschliche Beziehungen geht und um so ein Netzwerk, was ja vielleicht auch eine gegenseitige Seite hat, dass man einfach Zeit miteinander verbringt und Kontakt hält und sich austauscht. Da wächst ja ganz oft was draus, dass man gar nicht planen kann.

Also was ganz anders ist als diese proaktive Kaltakquise, wo man ein konkretes Ziel hat und ganz strategisch sagt: Ich will jetzt da einen Auftrag haben. Aber wenn man sozusagen auch diese nicht planbaren Netzwerke mit in die Akquise mit reinnimmt, kann man sich auf eine gewisse Art und Weise darauf verlassen, dass daraus was entstehen wird, was man vielleicht nicht planen kann, aber was bestimmt cool sein wird.

Daniel
Also es gibt auch dann Leute, die man mitnimmt und die einen mitnehmen.

Franziska
Ja, genau.

Daniel
Ja. Im Editorial nimmt dich ja auch jemand von einer Veröffentlichung zur nächsten mit. Ja. Hm. Ich arbeite ja relativ fokussiert im Editorial-Bereich, aber mich interessieren auch viele andere Sachen und da würde ich zum Beispiel denken: Such die Leute, die da in der ähnlichen Position sind und gerade damit anfangen. Also wenn du Concept Design machen willst und du wohnst in einer größeren Stadt, da gibt es doch vielleicht irgendwelche Indie-Entwickler in deiner Stadt und die fangen gerade damit an und die brauchen vielleicht gerade genau dich. Natürlich kannst du dein Portfolio an die Marktführer schicken, aber du kannst auch mit den Leuten anfangen, die auf die einer ähnlichen Position sind wie du und die dich vielleicht gerade viel mehr brauchen. Ist natürlich weniger bezahlt, aber es ist ein erster Schritt in diesen Bereich.

Franziska
Ja, das finde ich einen total schönen Hinweis. Ich glaube, dass es für viele Kreative im näheren Umkreis deutlich mehr potenzielle Auftraggeber innen gibt, als sie ganz oft denken. Und was ich total schön daran finde ist, dass man gemeinsam wachsen kann. Ja, so und das ist etwas, da investiert man sozusagen in menschlichen Austausch und profitiert auch irgendwann davon. Aber es ist nicht ganz so planbar und das ist, glaube ich, auch total in Ordnung.

Daniel
Ja, ja, was natürlich richtig ist: Man muss sich selbst gewiss sein, was man das machen möchte und das es die eigenen Interessen sind. Also nicht, dass du dich dann nach einer Weile da wieder findest und merkst: Okay, jetzt habe ich da zwar den Fuß in der Tür, aber es ist nicht genau das was, was ich machen will. Es hat natürlich auch Lerneffekte bei der Sache, aber du musst schon wissen, was da deine Zielsetzung bei so einer Kooperation ist.

Franziska
Ja genau. Ich glaube, es ergibt sich ganz oft was Positives, wenn man sich auf Dinge einlässt, die gerade so vor einem sind. Man braucht halt offene Augen dafür, um die sehen zu können. Aber es geht vielleicht auch zu weit. Was ich dich aber mal unbedingt fragen wollte … ich habe noch zwei Fragen. Als allererstes würde ich dich mal sagen, weil ich bin mir ganz sicher, dass einige hier sozusagen zuhören und denken: Boah, ein Job bei der New York Times … das ist echt der Traumjob überhaupt.

War das für dich auch so? Was war denn für dich so der Traumjob im Editorial Bereich? Und hast du den vielleicht schon erreicht? Und was hat sich danach verändert?

Daniel
Es ist natürlich toll, für diese Magazine zu arbeiten und es zahlt natürlich auch darauf ein, das, worüber wir gesprochen haben, dass es Vertrauen in deine Reputation gibt. Wenn ich da diese eindrucksvolle Liste hinschreiben kann. Das ist natürlich ein positiver Effekt.

Und ja, also es ist … ich getraue es mich fast nicht zu sagen, aber mein erster Kunde war der New Yorker.

Franziska
Woah … wow … hahaha … voll toll!

Daniel
Das war so eine drei mal drei Zentimeter große Vignetten-Illustration. Und das war natürlich schon …. okay … alles klar. So, aber wie gesagt, ich habe nebenbei noch Zeitungen ausgetragen. Trotzdem ist das natürlich schon cool.

Franziska
Das ist definitiv cool.

Daniel
Wie gesagt, es hat dann auch noch zwei Jahre gedauert, bevor ich davon leben konnte. Also um das so in Relation zu setzen.

Franziska
Ja, weshalb ich frage: Ich weiß nicht, wie das dir geht, aber bei mir ist es so, dass ich ganz oft bei mir selbst beobachte, dass ich so Ziele habe .. und ich glaube auch, es ist total wichtig, diese Ziele zu haben … und es ist auch total cool, sich dann dafür zu feiern, wenn du dann deinen Job beim New Yorker hast.

Aber am Ende ist man danach trotzdem noch die gleiche Person mit den gleichen Problemen und den gleichen Ängsten und Sorgen, die man vorher hatte. Und es tut sich nicht der Himmel auf und auf einmal ist alles anders.

Daniel
Nein, auf jeden Fall … also ja, im Illustrationsbereich kann ich mich damit gar nicht so identifizieren, aber wenn ich jetzt vielleicht an Musik denke oder so, dann würde ich denken. Ok, jetzt hat man irgendwie so ein Album, jetzt ist man berühmt, aber das ist dann auch irgendwie kacke, das will man dann gar nicht.

Also ja klar, danach ist überhaupt nichts anders. Hm, es klingt vielleicht zu sehr abgebrüht, aber du hast dann diese Zeichnung da in dem Magazin veröffentlicht. Aber was soll danach anders sein? Also wenn es natürlich was ist, worauf du gezielt lange hingearbeitet hast, dann ist das natürlich etwas, was man auf jeden Fall für sich selber irgendwie feiern sollte.

Und ja, es gibt natürlich auch diesen finanziellen Druck die ganze Zeit … kannst du davon leben? Und wie kannst du davon leben? Oder welche Kompromisse musst du machen? Das lastet natürlich schwer, insbesondere am Anfang. Andererseits sollte man vielleicht, soweit es geht, nicht einen externen Zeitplan oder Zeitdruck auf sich zu übernehmen oder übertragen oder sich auf Schultern lassen. Also vieles läuft einfach viel langsamer als man denkt.

Du schreibst dann jetzt diese Email und du möchtest die Antwort bzw. den Auftrag nächste Woche haben. Aber der kommt vielleicht in acht Monaten … oder in sechzehn Monaten. Und ja, was machst du bis dahin?

Franziska
Ja, ja, es ist ja auch so dieses Ding mit Zielen und Visionen. Ich finde es total gut, die zu haben, weil die geben die Richtung vor. Aber gleichzeitig ist es auch wichtig, da loszulassen und keine Erwartungen zu haben. Denn Erwartungen wiederum erzeugen einen ganz komischen Druck und erzeugen auch relativ schnell Frustration, weil das was du beschreibst, ist ja so wahr.

Dinge dauern einfach ganz oft länger als man hätte. Und das gilt auch für die Akquise. Das Internet verspricht uns immer so diese sofortigen Erfolge. Die sind aber nicht normal. Es ist einfach normal, dass es ein bisschen dauert.

Daniel
Ja und wir, wir sehen immer nur die Erfolge, die dann so publiziert werden. Macht man ja selber auch so. Aber der Vorlauf für so ein Projekt, der ist da überhaupt nicht sichtbar. Also was ich jetzt veröffentliche, da habe ich vor drei Monaten dran gearbeitet, oder das ganze Projekt wurde vor zwei Jahren irgendwie angeschoben, wenn es was längerfristiges ist. Und wie viele Stunden da reingegangen sind, das kann ja diese Instagram-Story nicht zeigen. Da kriegst du doch deine Endorphine nicht davon zurück.

Also deswegen muss man irgendwas in der echten Welt machen.

Franziska
Ja, sehr guter Plan. Es ist eine gute Überleitung zu meiner letzten Frage. Echte Welt versus digitale Welt: Wie gehst du denn mit diesen neuen Entwicklungen mit KI um? Also, wie gehst du als Illustrator und als kreativer Unternehmer mit dieser technischen Entwicklung um?

Daniel
Also in meiner eigenen Praxis habe ich den Grundsatz, dass ich das nicht einsetzen möchte, einfach weil ich kein Interesse habe. Aber was mir auch bewusst ist, dass die Grenzen verfließen werden. Also jetzt gibt es schon Photoshop, wo man sich das einfach mal im Querformat machen lassen kann, und da ist man natürlich an dem Punkt, wo man irgendwann sagt: Willst du da jetzt noch drei Stunden dran arbeiten oder lässt du dir das jetzt generieren … also da werden die Grenzen meiner Meinung nach aufweichen.

Aber für mich … ich habe es jemanden so beschrieben: Wenn jemand ein Prompt hat, da steht »50er Jahre Frosch im Raumschiff und was weiß ich«, dann denke ich: Ja lets go! Ich will das machen. So, mal sehen, was und wo wir da rauskommen. Ich habe null Interesse, das in dieses Programm einzugeben, weil ich seit über zehn Jahren das jeden Tag mache und meine eigenen Wege und Methoden dafür habe.

Da kommt vielleicht was interessantes, auch kompositorisch oder für mich interessantes raus, aber ich möchte das machen und nicht vom Computer machen lassen.

Von daher ist mein Interesse daran relativ gering. Ja und dann könnte man natürlich wieder fragen: Nimmt das dann irgendwann Jobs weg? Da ist vielleicht meine fatalistische Antwort: Viele von uns haben diese Kompetenzen erworben, Bilder auf einem hohen Level zu kreieren. Wenn das irgendwann keinen Raum mehr hat, dann ist es vielleicht das Schiff, mit dem wir als Dinosaurier untergehen.

Aber gleichzeitig denke ich, dass viele von den Kompetenzen, die wir jetzt unterwegs erlernt haben, trotzdem super-wertvoll in anderen Bereichen sind.

Oder gibt es irgendwann einen Bereich, wo es dann eine Übersättigung gibt, wo es einen gewissen Premium-Status hat, dass es trotzdem jemand von Hand gemacht hat. Oder hat es einen Einfluss darauf, wie Sachen aussehen, dass wir irgendwie eine klar unterschiedliche Ästhetik in unseren handgemachten Sachen finden, die so nicht reproduzierbar sind … das ist alles im Fluss … es weicht alles immer mehr auf und es gibt keine binären Antworten darauf.

Franziska
So wahr. Ja, ich glaube, der Fokus auf die eigene Expertise und die eigenen Kompetenzen ist einfach sehr hilfreich. Es verändert sich ja auch gerade einfach in so einer hohen Geschwindigkeit, dass die Antwort nicht einfach sein kann. Aber es kann jetzt nicht einfach bedeuten: Jetzt musst du halt Prompts lernen oder prompten lernen, um als Illustrator*in weiter arbeiten zu können. Ich glaube, so funktioniert das nicht.

Sich auf die eigenen Kompetenzen zu fokussieren ist das einzige Prinzip, was wir tun können. Vielleicht auch noch, sich damit auseinanderzusetzen, was man damit machen kann. Also du hast ja gerade gesagt, dass es dich überhaupt nicht interessiert, das in deinen Arbeitsprozess zu integrieren.

Gibt es ein paar Bereiche, die eben nicht die Konzeption sind, sondern die vielleicht nur Fleißarbeit sind, wo du sagen würdest: Okay, wenn das auf einmal schneller gehen würde, dann wäre das cool. Weil: Bei mir gibt es das. Ich habe so ein paar Arbeiten, die finde ich überhaupt nicht cool. Ich muss es halt machen. Aber wenn ich da irgendwie das schneller machen könnte, dass ich dann nicht zwei Stunden dasitze, und das voll schrubbe … ich mache ganz oft so Strukturen, die muss ich einfach so schrubben … wenn das einfach schneller gehen könnte, wäre das schon cool.

Daniel
Theoretisch könnte ich mir das schon vorstellen, aber beim jetzigen Stand der Technik sehe ich das eher so, dass ich dann vielleicht was generieren lasse und das ist 70 % gut und dann mache ich dann noch 30 % Nacharbeit, die dann noch unbefriedigender ist als diese aufwendige Handarbeit. Und von daher, es ist im Moment nicht interessant, aber ja, für mich ist das einfach so eine komplett unterschiedliche Art des Bildermachens.

Das soll nicht heißen … also es ist keine Wertung, aber es fühlt sich von mir ganz woanders an, so Bilder zu generieren als das, was ich mache. Obwohl vielleicht die Ergebnisse ähnlich sind.

Ich hab auch noch so einen positiven Spin auf diese Sachen. Ich habe einen Workshop gemacht mit Teenagern, also so einen Kur zum digitalen Zeichnen auf iPads und nebenan war ein KI-Workshop, wo die Kids Gesichter generiert haben und sich das irgendwie dann projiziert haben aufs eigene Gesicht.

Und wir hatten einen normalen digitalen Zeichenkurs, so in die Richtung »Entwirft dein Raumschiff, dein Kostüm, dein … ja, deinen Charakter« … und die Kinder konnten sich entscheiden, KI zu machen oder digitales Zeichnen. Einige haben auch beides gemacht.

Es war keine Konkurrenz da und kein einziges Kind ist in den digitalen Zeichenkurs gekommen und hat gefragt: Warum zeichnen wir denn jetzt? Kann man doch generieren.

Das steht überhaupt nicht zur Debatte. Also diese Zeichnungen selber zu machen und herauszufinden: Oh, hier kann ich schneller zeichnen, da kann ich mit Farben einfacher experimentieren als oder schneller zumindest als im analogen Bereich. Oh, hier gibt es Ebenen und hier kann ich ein Foto einfügen oder hier kann ich was korrigieren. Das sind alles Sachen, die so eine starke Anziehungskraft haben, was vielleicht uns, die wir täglich mit diesen Sachen arbeiten, gar nicht mehr so bewusst ist.

Und ja, das stand da gar nicht zur Debatte, dass jemand sagt: Das kann man doch alles generieren.

Franziska
Ja, zeichnen macht ja auch einfach mal Spaß. Zeichnen macht Spaß. Aber es macht ja nicht nur Spaß. Das ist ja das Spannende … Zeichnen generiert ja auch, während man zeichnet oder etwas zeichnet, auch Wissen und man erforscht auf eine gewisse Art und Weise auch in diesem Prozess.

Wenn ich anfange, eine Illustration zu machen, dann ist die in meinem Kopf oft anders als das, was am Ende rauskommt. Weil der Prozess ja auch Einfluss auf das Ergebnis hat. Also ich kann nicht am Anfang sagen: Ich möchte einen Frosch in einem Raumschiff mit einem gestreiften Kostüm. Das sage ich vielleicht am Anfang, aber am Ende will ich halt einen Frosch in einem Schiff mit einem großen Regenbogen, weil der Prozess super wichtig ist, um sich an das Thema heran zu robben.

Dinge verändern sich und das finde ich total schön und das ist einfach was … das existiert beim Bilder generieren so in dieser Form nicht. Vielleicht anders.

Daniel
Ja, es sind so unterschiedliche Welten. Das sagt nichts über die Legitimität der Sachen aus und ich verstehe auch die Anziehungskraft von KI, weil Leute, die sich überhaupt nicht mit diesem Weg, auf dem viele von uns sind, beschäftigt haben, jetzt plötzlich ihre Ideen generieren können. Das ist natürlich ein super beeindruckendes Werkzeug … und diese Anziehungskraft sehe ich … aber was bedeutet das für mich, der sich nur hinsetzen muss und einen anderen Weg dazu gefunden hat.

Und ich beobachte mich selber über zehn Jahre, wie die Sachen, die ich mache, sich entwickeln und wie man sich immer besser versteht oder wie sich Sachen verändern. Es ist vielleicht etwas Navel-gazing oder sich selber beobachten. Aber mir reicht es eigentlich aus, zu sehen, wie ich mich selber entwickele.

Ja, wenn man sich mal überlegt, ist 2019 das letzte Jahr … also das goldene Zeitalter des von Menschen generierten Content im Internet. Weil das noch nicht verwässert ist durch KI. Und wäre die nächste Generation glücklich, diese KI-Maschine nur mit KI-generierten Bildern zu füttern? Und ich glaube nicht, denn es gibt dann ja auch Generation Loss. Und so technologisch und so maschinell, wie das jetzt klingt, aber das zeigt den Wert von Von-Menschen-gemachter Arbeit. Das wird gebraucht, um diese Maschine zu füttern.

Was wir da gemacht haben die letzten Jahre, das ist alles Gold wert, sozusagen.

Franziska
Ja, das ist es, ja. Wir werden sehen, wo das hinführt. In einer affenartigen Geschwindigkeit.

Ich danke dir sehr, Daniel, dass du heute hier warst und dass so dein Wissen mit uns geteilt hast. Dankeschön. Und dass wir uns hier in echt gesehen haben. Verrückt. Vielen herzlichen Dank.

Daniel
Dankeschön.

 

 
So. Das war das Gespräch mit Daniel Stolle. Welche Aha-Momente hattest du denn? Und welche der Tipps und Erfahrungen, die Daniel geteilt hat, wirst du in deiner Akquise umsetzen? Und willst du dich jetzt internationaler aufstellen?

Wenn dich das Thema Visionsfindung versus Erwartungen interessiert, hör gern mal in die Portfolio-Podcast-Folge #31 hinein. Diese heißt »Einmal loslassen, bitte!« und dort geht’s genau darum: Um’s Visionfinden und was notwendig ist, damit diese auch Realität wird. Denn Visionen kommen mit einer kleinen Hürde. Wenn du nicht aufpasst, verwandeln sie sich schnell in Bedingungen und erzeugen Stress und Frust. Dagegen hilft nur ... loslassen. Hör doch mal rein.
 

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Deshalb jetzt zum Schluss noch einmal ganz gezielt die Frage an dich: Welche internationalen Märkte interessieren dich? Und warum? Und welchen ersten Schritt wirst du heute in diese Richtung gehen? Teile deine Erkenntnisse und Erfahrungen gern unter dem Podcast, oder auf Instagram.
 
Und damit wünsche ich dir alles Liebe.
Wir hören uns wieder nächste Woche, ich freu mich auf dich,
bis dahin, Franziska
 

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Hast du noch mehr Portfolio-Fragen? Schreib mir gern, dann nehme ich diese gern in den kommenden Blogposts auf. Liebe Grüße, Franziska

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